Vom Staub und vom freien Fall
ASPEKTE / NAMES
18/03/22 „Dust“, ein prophetisches Motto erfüllt sich in der Szene für alle, die am Weg des Nebelmondes im Saharastaub ansichtig waren. NAMES, das New Art and Music Ensemble Salzburg, vernebelt sein Spiel allerdings gar nicht.
Von Erhard Petzel
Zu Beginn des Aspekte-Konzerts am Donnerstag (18.3.) eine Reinkarnation von Cage durch Barblina Meierhans’ Stück Alles, was der Fall. Mit dem Unterschied, dass der das Fallenlassen diverser Gegenstände nicht minutiös in Partituren festgehalten hat. Zu den achtzehn sich unterschiedlich verhaltenden Fallobjekten gesellt sich Hintergrundrauschen aus Lautsprechern, das immer wieder zu einem Rattern von Hölzern wird, die mit den im Raum verteilten Instrumenten Altflöte, Schlagwerk, Cello, Kontrabassklarinette und Violine einen Klangraum erschaffen. Der lyrische Höhepunkt stellt sich bei einem hohen Flageolett-Orgelpunkt ein, zu dem Stricknadeln hellglockig fallen. Dynamisch zieht das elektronische Getön danach an, um nach diversen Interaktionen mit dem Ensemble ins Ende ruhig zu vergehen.
Im gleichen Jahr, 2016, schrieb Rebecca Saunders Bite für Bassflöte solo. Saunders lässt sich beim Schaffensprozess nach eigenen Angaben von der phonetischen Ästhetik der Prosa Becketts inspirieren. Ein Kanon von Spielweisen baut sich zu abgerundeten Einheiten auf, denen permutativ weitere folgen, sodass sich ein thematisch geschlossenes Ganzes entwickelt, das in seiner Binnendifferenzierung spannend bleibt.
Das älteste Stück in der Programmfolge stammt aus dem Jahr 2008, Steffen Krebblers Aufstieg und Fall außerweltlicher Flug- und Kriechtierattrappen für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine, Violoncello und Lautsprecher. Leider gibt es keine Visualisierung derselben, sodass man auf das akustisch leichte Gewebe der Instrumente zu eingespielten abstrakten Naturklängen angewiesen ist, was zeitweise sphärische Impulse ausbildet.
weit beisammen stehen Klarinette (links außen) und Bassflöte (rechts außen) zur Live-Elektronik (über Bühne verteilt) bei Peter Jakober. Die Randgestalten spielen sich in ihrer Panpot-Dynamik gegenseitig allmählich in die Höhe, im ersten Durchlauf elektronisch mächtig unterstützt, bis sie sich leitergeleitet abwärts begeben neben penetrant sich steigerndem Weckergeklingel, das durch Acceleration aufgenommener Schwebungen entsteht. Ein neuerlicher Aufbau bleibt zurückhaltend.
Eine Uraufführung gibt es mit Josef Ramsauers Monolith (2021), einem verstorbenen Freund gewidmet und Verschwinden thematisierend. Ruhige Klangflächen unterlegen ein eingespieltes Klickern, zu sanften Klavierakkorden tönen Einzelereignisse aus dem Ensemble, raunendes Rauschen im Schlagwerk, das nach kurzem Aufbrausen im Klavierinneren erstirbt. Ein verhauchter Schlusston ist dem elektronischen Part vorbehalten.
Die Klarinette aus vorhergegangenen Septett wird abgezogen zu Giulio Colangelos Sextett Forbidden Soundscapes [Narcissus Nausea], auch das eine Uraufführung. Es geht dem Komponisten um das Dilemma des an seiner Selbstverliebtheit Scheiternden. Der letzte Kampf zwischen innerem und äußerem Bild, die Sehnsucht nach innerer Einheit und die Verzweiflung über deren Unerreichbarkeit sei als Vorwegnahme des Endes der westlichen Zivilisation zu verstehen. Die Musik hat sich glücklicherweise soweit in die Modalitäten ihrer überkommenen Aufführungsumgebung gefügt, dass niemandem etwas Böses widerfahren ist.
Umbaupause für das einzige Stück des Abends ohne elektronischer Einspielung, Rebecca Saunders’ Dust, das dem ganzen Programm den Namen gegeben hat. Christian Dierstein führt das in acht beliebig zu reihende Module gegliederte Stück so auf, dass zunächst thematische Blöcke aus glockigen Klängen durch immer dominanter werdende Episoden auf der Cassa gegliedert werden. Darauf ein Spiel mit der Resonanz der Schnarrsaiten kleiner Trommeln, zu Blechen, zu Riesentriangeln, zu einer Monsterklangschale. Zum Schluss zwei verbaute Pauken, bei denen Auflagen und Spielutensilien jeden freien Fellklang vereiteln. Sicherlich der Höhepunkt an staubiger Transformation. Das Instrumentarium vermag in seiner verspielten Einzigartigkeit auch den nicht ganz unbefangenen Hörer zu überraschen.
Das Festival Aspekte dauert bis 20. März – aspekte-salzburg.com
Bilder: Aspekte Salzburg / Wolfgang Kirchner