Mehr Erinnerung als Gegenwart
REPUBLIC / LUNGAU BIG BAND
15/03/10 Erster Satz Count Basie, darauf Frank Sinatra Songbook, dann Duke Ellington oder andere Standards. Dazwischen Sinatra im beständig ausgeführten Wechsel von Gesang und instrumental. Und immer DREI Nummern pro Block bis in die Draufgabe.
Von Erhard Petzel
Natürlich bietet dieser Werk-Kanon der Lungau Big Band jede Plattform, seine Qualitäten voll auszuspielen. Differenzierung von delikaten Nuancen bis zum gestandenen Schalldruck eines Power-Force-Bataillons sind in sich hinreichend ereignishaft, die Register können brillieren, die große Truppe an wunderbaren Solisten setzt nicht nur ihre Akzente in den Auftritten, es gibt für jedes Blasregister ein echtes Solostück, und die Musiker stellen klar, dass sie mit solchen Herausforderungen kaum aus der Reserve zu locken sind.
Aber Ist eine so konsequent geführte formale Homogenität wie in „A Tribute To Frank“ durch Philipp Weiss und die Lungau Big Band am Wochenende (12. und 13.3.) nun klassisch oder langweilig? Besinnt sich da wer auf Wurzeln oder wird hier eine in unser Bewusstsein gespurte Retro-Welle bedient. Wo liegt der Unterschied in der Erwartungshaltung von einem Palast- respektive Ballaststoff-Orchester zu einer Lungau Big Band?
Philipp Weiss nimmt als bayrischer Sinatra-Apologet des Abends Horst Hofer seinen Teil an Conférence ab und macht seine Sache recht sympathisch. Dass ihm das Gelackmeierte des Show-Business fehlt, ist ein Wesenszug, der gern erhalten bleiben darf. Er gibt sich einigermaßen natürlich und versucht auch nicht in irgendeiner penetranten Weise zu münchnern. Dass sein Gesang nicht ganz so ausgewogen wie das Programm wirkt, mag die Tonregie mitverantworten. Um restlos zu überzeugen, dürfte er an seiner Stimmpräsenz in den tiefen Lagen und im Piano arbeiten und das Forte der Schallspitzen im höheren Stimmbereich besser kontrollieren.
Mit einem durchwegs rückwärts orientierten Programm vermittelt so eine Veranstaltung aber doch die Aura von Patina, verstärkt durch den leicht mulmigen Schellack-Sound der Spielstätte. Und es keimt die Vorstellung, wie es denn wäre, hier jetzt an einem Tisch zu sitzen in einem mehr oder weniger grenzsittlichen Rahmen und auf hohem Niveau Unterhaltung zu erfahren, der nicht der Selbstzweck eines Konzertabends anhaftet.
Das Publikum stellt sich eine solche Frage aber offensichtlich nicht. Besser durchmischt als im klassischen Segment, aber doch deutlich sichtbar durch das Vierteljahrhundert mit der Lungau Big Band auf dem Weg, geht es begeistert mit und befeuert seine Musiker, wenn auch der revolutionäre Brand der Jugend mehr Erinnerung den Gegenwart ist.