asdf
 

Vom Sterben und darüber hinaus

CAMERATA SALZBURG / ENRICO ONOFRI

12/03/23 Die Salzburg-Saison der Camerata ging schon jetzt zu Ende, weil dem Großen Saal des Mozarteums die dritte Renovierungsphase bevorsteht. Das letzte Abo-Doppelkonzert mit Werken von Haydn und Janáček leitete der aus Ravenna gebürtige Dirigent Enrico Onofri.

Von Horst Reischenböck

1992 leitete der damalige Chef Sándor Végh Joseph Haydns Musica instrumentale sopra le ultima Parole del Nostro Redentore in Croce Hob. XX/1:A. Von der Aufführung der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz, so der deutsche Titel, existiert ein Mitschnitt aus dem Konzerthaus Wien. Von den damaligen Mitgliedern der Camerata dürften heute nur mehr wenige noch dabei sein.

Enrico Onofri, Spezialist für Interpretation alter Musik und einst Konzertmeister von Il Giardino Armonico, beschäftigte sich als Gastdirigent des Orquesta Barroca de Sevilla dort mit Trauermusik, unter anderem mit Haydns Letzten Worten. In Andalusien liegt ja auch Cádiz, dessen Bischof dieses Stück einst für geistliche Betrachtungen vor den Kreuzwegstationen während der Karwoche in Auftrag gegeben hatte. Es ist unter all ähnlich gelagerten Werken aus früherer, damaliger und auch späterer Zeit die einzige Komposition, die, nicht zuletzt ihres Erfolgs wegen, in mehreren Fassungen vorliegt: Beethoven-Adlatus Carl Czerny hat die Letzten Worte fürs Klavier übertragen. Der Passauer Domherr und Domkapellmeister Joseph Friebert hat das Werk mit eigenem Text zum Oratorium umgeformt, Haydn dies als gut erachtet und seinerseits den Text seiner eigenen Oratorienfassung unterlegt. Und schließlich gibt es aus Haydns Hand noch die auf Streichquartett reduzierte Version.

Die Camerata spielte nun die Originalfassung für zwölf Bläser, Pauken und Streicher. Ausgehend von der emotional aufgeladenen Ouvertüre im d-Moll eines Requiems schmerzerfüllt durch bewusst gewählte Tonarten hinweg: scharf dissonant fahles E-Dur in Mulier ecce filius tuus, noch tiefer in tragisches f-Moll gehüllt der Ausbruch des von Gott Verlassenen, gefolgt vom verzweifelten Ausruf des Durstes wegen. Enrico Onofri führte sich und die ihm willig folgend von Konzertmeister Giovanni Guzzo angeführten 25 Streicher und die Farbe spendenden Bläser fast wie in Trance, fein differenziert durch alle dynamischen Schattierungen.

Die Abfolge von Haydns langsamen Sätzen wurde aufgebrochen durch das Erste Streichqartett JW VII/8 von Leoš Janáček, die Kreutzersonate. Aber eben nicht als Quartett, sondern in einer Orchesterfassung des Camerata-Bratschisten Firmian Lermer.

Es war wohl nicht so geplant, aber für den Weltfrauentag am Freitag (8.3.) passte Leo Tolstois literarische Vorlage mit ihrem Ende durch Femizid an der unterdrückten Frau durchaus. Allerdings wirkte dieser Einwurf der vier knappen Sätze mit geschärften Trompetenklängen doch eher als Störfaktor. Er brach durch die Vergröberung der abrupten Stimmungswechsel das Gesamtbild auf. Geplante Irritation? Trotz allem gezeigtem Engagement dünkt Janáčeks Original in all seiner keuschen Klanglichkeit denn doch wirkungsvoller, beeindruckender, nachhaltiger.

In innerlich berührend nachschwingende Momente führte Haydn mit g-Moll zurück, der Tonart des Todes als Gewissheit der Vollendung. Mit dem Tritonus-Intervall spielte Haydn an die Überwindung des Teufels an. Wahrhaft „con forza“ erschütterten dann die Pauken wuchtig das Podium im finalen Erdbeben, das den Vorhang in Jerusalems Tempel zerreißen ließ. Die Botschaft wurde begeistert angenommen.

Bild: www.enricoonofri.it / Enzo Alessandra

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014