Die Tasten einer Reliquie drücken
HINTERGRUND / STEINWAY / HOROWITZ-FLÜGEL
09.02.2010 "Mein mir treu verbundener Freund" – so nannte der legendäre Pianist Vladimir Horowitz den Flügel, den er fast fünfzig Jahre lang in seiner Wohnung in Manhattan und zuletzt auch auf seinen Konzerttourneen gespielt hat.
Der Konzertflügel mit der Nummer 314.503 ist der Flügel, den die Firma Steinway & Sons dem russischstämmigen Pianisten und seiner Frau Wanda, Tochter von Arturo Toscanini, 1943 zur Hochzeit schenkte. Es ist der Flügel, auf dem Horowitz jahrzehntelang in seiner Wohnung in Manhattan spielte und den er in den letzten vier Jahren seines Lebens bei Konzerten ausschließlich benutzte. Es ist der Flügel, der sein Apartment in der 94. Straße nur durchs Fenster verlassen konnte und der jedes Mal umständlich abgeseilt werden musste.
Eine technische Besonderheit dieses Modells D-274 ist das besonders leichte Nachgeben der Tasten. Franz Mohr, langjähriger Steinway-Cheftechniker in New York, nennt dies den „Horowitz-Touch“. 27 Jahre lang, von 1962 bis zum Tod des genialen Pianisten am 5. November 1989 sorgte Mohr persönlich für die Stimmung und Justierung der mechanischen Feinheiten, genau so, wie sie dem Meister genehm waren.
Mohr stammt aus Deutschland und hat 1992 ein Buch über seine Zeit mit Horowitz und anderen Tasten-Stars geschrieben („Große Pianisten, wie sie keiner kennt“). Keinem von ihnen kam er so nahe wie Horowitz, wenigen nur kam wohl auch Horowitz, der Menschenscheue, so nahe wie Franz Mohr.
Zu Horowitz' Lebzeiten durfte nur ein Kollege, Murray Perahia, auf diesem Flügel spielen. Dieses alte Instrument ist eine Reliquie und offenbart auf seiner dem Publikum abgewandten Seite durch die zahlreichen Transporte Spuren eines Lebens, das eher an Rock’n Roll erinnert als an Interpretationen von Scarlatti, Liszt, Schumann und Skrjabin. Auf der Unterseite haben sich zahlreiche Verehrer mit Autogrammen verewigt und zeugen vom Mythos und der Faszination des Meisters und seines Flügels.
Dieser Tage ist der Horowitz-Flügel zu Gast in den Steinway-Häusern in Salzburg, Linz und Wien. Klavierliebhaber noch bis Freitag (12. Februar) in Salzburg und von 18. bis 22. Februar in Wien die Möglichkeit, das besondere Instrument zu spielen und den „Horowitz-Touch“ - das außergewöhnlich leichte Nachgeben der Tasten - zu erfühlen. (dpk-krie/Steinway)