Keine Angst vor den Russen
CD-KRITIK / PIOTR BECZALA
23/08/10 Wenn es darum geht, dass sich ein Opernsänger auf einem Recital präsentiert oder sich auf CD verewigt, nimmt er meist die großen "Schlager" der Literatur her und versucht, seine persönliche musikalische Note einzufügen. Nicht so Piotr Beczala.
Von Andreas Vogl
Eine interessante Alternative ist, Repertoire einzuspielen, das keiner kennt, um damit eine Lücke zu schließen. Der Tenor Piotr Beczala (heuer Roméo an der Seite Anna Netrebkos bei den Festspielen) hat mit seinen zwei Solo-CDs so einen Versuch unternommen und gepunktet. Die eine - "Salut!" - bringt zwar Altbekanntes wie Werther, Hoffmann und Rigoletto, aber auch Raritäten wie Leoncavallos "Bohème", Verdis "Jérusalem" und Bazins "Maitre Pathelin".
Neu ist das Arienalbum mit slawischen (russischen, tschechischen und polnischen) Opern. Und hier leistet Beczala Erstaunliches: Es gibt Stücke, welche außer einigen eingefleischten Liebhabern kaum jemandem untergekommen sein dürften. Diese sind aber von einer derartigen musikalischen Schönheit, dass einem das Herz aufgeht. Nowowiejskis "Baltische Legende" von 1924 klingt wie ein Puccini-Reißer. siebzig Jahre vorher hingegen schrieb Stanislaw Moniuszko seine "Halka". Jonteks Klage verbindet polnische Einflüsse mit Weber und Verdi.
Piotr Beczala beweist, dass seine Stimme die nötige Flexibilität besitzt, Lyrismen und dramatische Attacken gleichermaßen zu meistern. Einfach eine der schönsten und qualitätvollsten Tenorstimmen zur Zeit.
Weiters ist ein CD-Mitschnitt von Gounod‘s "Faust" aus der Wiener Staatsoper veröffentlicht worden. Piotr Beczala singt die Titelpartie, Soile Isokoski das Gretchen, Kwangchul Youn den Mephisto. Bertrand de Billy hat die Produktion am Pult musikalisch einstudiert.
Und für alle, die Anna Netrebko und Piotr Beczala (kurzfristig damals für Rolando Villazón eingesprungen) in einer Oper sehen wollen, gibt es die Produktion von Donizettis "Lucia di Lammermoor" aus der New Yorker MET auf DVD, welche vor kurzem im Kino übertragen wurde.