asdf
 

Live-Atmosphäre kann man nicht downloaden

INTERVIEW / 30 JAHRE ROCKHOUSE

29/12/23 Im Oktober feierte das Rockhouse seinen Dreißiger. Mit Jahreswechsel wird der langjährige Programmchef Wolf Arrer die Agenden an Joni Zott übergeben. Für mica Music Austria sprach Didi Neidhart mit Wolf Arrer, dessen Nachfolger Joni Zott und dem legendären Rockhouse Gründungs-Geschäftsführer Wolfgang Descho.

Didi Neidhart: Das Rockhouse ist vor dreißig Jahren nach langen Kämpfen Realität geworden. Federführend war dabei eine Initiative Salzburger Musikerinnen quer durch alle Genres. Wäre so etwas heutzutage möglich, wo doch die meisten eher in ihren Blasen wohnen?
Wolfgang Descho: Ich glaube, dass dies immer noch möglich wäre. Die Grundvoraussetzung war ja auch damals, dass es für unsere gesamte Musikszene, Stile oder Varianten oder „Blasen“, rein gar nichts gab. Gäbe es für uns noch immer nichts, würde sich die gesamte Musikszene erheben und lautstark fordern, was notwendig wäre.

Didi Neidhart: War es im Jahr 1993 absehbar, dass es das Rockhouse auch 2023 noch geben wird?

Wolfgang Descho: Aus meiner Sicht natürlich! Wir waren alle große Idealisten und glaubten fest daran, dass diese Einrichtung eine dauerhafte werden würde. Vor allem, weil es eben von der Musikszene selbst erkämpft wurde. Aber es gab natürlich damals auch Wetten, ob es mich als Geschäftsführer ein oder zwei Jahre geben würde und ob es das Rockhouse in drei bis fünf Jahren noch gäbe. Aber es wäre nicht Österreich, wenn es dies nicht gegeben hätte.

Didi Neidhart: Dreißig Jahre werden oft als die Spanne zwischen zwei Generationen angesehen. Wie schaut es mit den jüngeren Generationen im Rockhouse aus?

Wolf Arrer: Das Rockhouse ist ein Generationenhaus. Pop-Musik überspannt mittlerweile einen Zeitraum von gut siebzig Jahren. Das Rockhouse ist Dreißig geworden und Teile unseres Publikums begleiten das Rockhouse seit Beginn an. Aber auch jüngere Publikumsschichten wachsen stetig nach. Wir haben alles, von Zehnjährigen bei Workshops der Rockhouse Academy, bis zu achtzigjährigen mehr oder weniger rüstigen, aber immer musikbegeisterten Seniorinnen und Senioren, etwa bei Blue Monday-Konzerten: Das zeigt die gesellschaftliche Verankerung und damit eine der zentralen Stärken des Rockhouse.

Didi Neidhart: Bleiben wir noch beim Generationenthema: Glaubt man gewissen Untersuchungen und Berichten scheinen junge Festival-Gäste immer weniger wegen bestimmter Acts, sondern eher wegen des „Drum & Dran“ auf Festivals zu gehen. Merkt ihr das auch? Wie setzt sich das Rockhouse-Publikum altersmäßig zusammen?
Wolfgang Descho: Wie Wolf ja bereits feststellte, besuchen das Rockhouse-Leute von Zehn bis Achtzig, bei den „Rock the Familys-Sachen“ sind sogar Fünfjährige dabei. Bei den großen Festivals geht der Trend dahin, dass vor allem die Jüngeren das „Gesamtpaket“ – Spaß, Unterhaltung, Party , LiveKonzert – haben wollen. Das ist dann quasi ein Kurzurlaub. Bei uns im Rockhouse ist nach wie vor die Livemusik der Hauptgrund. Das schließt aber den Fun-Faktor nicht aus. Und After Show-Parties gehören ja sowieso dazu.
Wolf Arrer: Der Verein Rockhouse muss keine Hallen füllen. Mit unserem flexiblen Platzangebot mit zwei Veranstaltungsräumen im Haus und der Möglichkeit, bei großen Clubkonzerten ab und an in die Szene Salzburg auszuweichen, können wir sehr gut auf die Nachfrage reagieren. Die Besucherzahlen stimmen. Die Lust auf Live-Konzerte im intensiven unmittelbaren Club-Rahmen ist ungebrochen.

deschoDidi Neidhart: Während Corona habt ihr relativ schnell mit im Internet ausgestrahlten Live-Konzerten reagiert. Gleichzeitig plädiert das Rockhouse im Zeitalter von Social Media immer schon für Live-Konzerte als Erfahrung, die nur vor Ort wirklich erlebt werden kann. Wie hat sich der Stellenwert von Live-Konzerten im Laufe der Zeit verändert?
Wolfgang Descho: Grundsätzlich gar nicht. Live-Atmosphäre und emotionale gute Stimmung kann man nicht downloaden. Live-Musik wird bei allen technischen Revolutionen das Salz in der Suppe bleiben. Die technischen Möglichkeiten sowohl Musik zu produzieren als auch zu konsumieren sind natürlich völlig andere als 1993, sie werden sich immer weiterentwickeln. Aber Musik ist und bleibt das wichtigste Freizeit-Medium.
Die Live-Streams während der Corona-Zeit, das war eine Ausnahmesituation. Die Leute waren froh, dass wenigstens auf diese Art und Weise etwas Live ähnliches passierte. Das Interesse ging aber im selben Ausmaß zurück in dem die wirklichen Live-Konzerte wieder möglich wurden.

Didi Neidhart: Als das Rockhouse erstmals seine Tore öffnete, wurde Pop-Musik auf LPs und Audio-Cassetten, aber auch schon auf CDs rezipiert. Print Magazine und Radio waren die wichtigsten Informationsquellen. Was sind die gravierendsten Ver-Änderungen der letzten drei Jahrzehnte? 
Wolfgang Descho: Musik ist universal. Die massivsten Änderungen waren vor allem im Umfeld zu sehen. Unser „Internet“ waren 1993 das Faxgerät und der Anrufbeantworter. In der Industrie machte man noch Geld mit Tonträgerverkäufen. Das Plakat war der Hauptwerbeträger und der ORF hatte noch das Monopol. Internet und Smartphone waren eine wirkliche technische Revolution. Die Möglichkeit, mittels Computer selbst zu produzieren, war ein weiterer großer Schritt.

Didi Neidhart: Die gemeinhin mit dem Rockhouse assoziierten musikalischen Genres haben sich stark ausdifferenziert. Nicht zuletzt, aber nicht nur, wegen Social Media. Wie lässt sich der Überblick bewahren?
Arrer WolfWolf Arrer: Wer behaupten würde, es wäre heutzutage möglich, als einzelne Person ständig einen Überblick über gerade Neues undAngesagtes, über Trends und Tendenzen in der Pop-Musik zu haben, der würd´s mit der Wahrheit nicht genau nehmen. Entscheidend ist der ständige Austausch einerseits im Rockhouse-Team, aber auch darüber hinaus. Etwa mit in bestimmten Genres besonders firmen Spezialistinnen und Spezialisten. Das Internet ist eine – natürlich immer kritisch zu hinterfragende – wichtige Informationsquelle. Im Laufe von dreißig Jahren gewachsene Agenturkontakte helfen hier ebenfalls. Generell lernten wir, den Begriff Rock im Rockhouse im Laufe der Jahre offenere zu interpretieren.
Wir setzen natürlich unsere eigenen Schwerpunkte. Aber Neues ausschließen – das würde gegen den Geist des Rockhouse verstoßen. So rückte sicher ab den späten 1990ern die DJ-Club-Kultur auch in unseren Fokus. Heute ist diese Musik- und Lebenskultur nicht mehr aus dem Rockhouse wegzudenken. Mit zwei Turntables kann man genauso gut rocken, wie mit einer Stratocaster. So eine Erkenntnis der letzten dreißig Jahre.

Didi Neidhart: Wie wichtig sind vom Rockhouse initiierte Formate wie „Local Heroes“, die „Rockhouse Academy“ oder die Samplerreihe „Xtra-Ordinary“ für die lokale Szene?
Wolfgang Descho: Diese Formate sind eminent wichtig und ergeben ja das kreative Arbeitshouse. Es ist eine regelmäßige Möglichkeit, sich weiterzubilden und sich zu präsentieren. Neben den „Local Heroes“ gibt es weitere Möglichkeiten, live im Rockhouse aufzutreten, wie etwa die Proberäume, in denen regelmäßig über 25 Bands proben können. Diese Gesamtheit macht es dann aus.

Didi Neidhart: Das Rockhouse ist ja nicht nur ein Veranstaltungsort. Es gibt neben den Proberäumen einen Seminarraum, der auch schon mal von Lou Reed oder Hubert von Goisern genutzt worden ist, es gibt auch eine Bar. ... Wie wichtig sind euch diese soziokulturellen Aspekte, wo sich Leute treffen und reden können? Was muss man dafür machen, dass das auch funktioniert?
Wolfgang Descho: Rock- und Popmusik kann man von soziokulturellen Aspekten sowieso nicht trennen, das gehört alles zusammen. Wichtig ist, dass es die Möglichkeit überhaupt gibt, zu proben, sich zu treffen, zu reden, zu feiern… Und dieses Angebot bieten wir seit Beginn an.

Didi Neidhart: Hättest du dir jemals gedacht, den Job der Geschäftsführung so lange zu machen
Wolfgang Descho: Ganz ehrlich, ich habe mir nie den Kopf darüber zerbrochen wie lange ich das wohl machen werde. Ich habe aber immer in meinem Leben alles solange gemacht, solange ich es grundsätzlich gerne gemacht habe. Ich finde es aber lustig von dem „der zu jung für diesen Posten ist“ zu einem der längstdienenden Kulturstätten-Geschäftsführer geworden zu sein.

Didi Neidhart: Auch wenn vom Rockhouse gemeinhin als „Institution“, also als quasi „unverzichtbar“, gesprochen wird, gehört das Thema Subventionen doch immer noch zu jenen Aspekten, wo es kritisch werden könnte. Wie schaut es um die Zukunft, nicht nur vom Rockhouse aus?
Wolfgang Descho: Ich glaube, dass die Grundabsicherung nicht in Gefahr ist, weil Kulturstadt und Kulturland Salzburg junge, moderne Kultur immer dringend brauchen. Weiters sind wir kulturelle Ganzjahresversorger. Wie eminent wichtig das ist, sah man während der Corona Pandemie. Ich glaube, dass in Salzburg wirklich gute Kulturarbeit geleistet wird und das wird inzwischen auch über die Parteigrenzen hinweg anerkennt. Es wird aber auch in Zukunft wichtig sein, eindringlichst einzufordern, was notwendig ist. Diesbezüglich kann man dann ruhig auch einmal die tolle Arbeit unseres Dachverbandes Salzburger Kulturstätten positiv hervorheben.

Didi Neidhart: Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Rockhouse?
Wolf Arrer: „Three Chords and the Truth“ – so definierte vor siebzig Jahren der Countrymusiker Harlan Howard einen guten Song. In diesem Zitat steckt die Essenz der Musik. So einfach und so anspruchsvoll zugleich ist spannende Pop-Musik unabhängig von Entstehungszeit, Stilistik und Tradition. Einfachheit und Klarheit (nicht Simplifizierung) und Wahrhaftigkeit (statt Schein und Größenwahn): Möge dieser Anspruch dem Rockhouse auch Leitlinie für die kommenden Etappen sein.
Wolfgang Descho: Ich wünsche mir, dass das Rockhouse die kreative Dauerbaustelle bleibt, ein offenes House mit offenen Ohren, mit Mut für Neues und Respekt vor dem bereits Geschaffenen. Dass es das House für die heimische Musikszene bleibt und dass sich Musiker und Musikerinnen wie das Publikum hier wohlfühlen.

Didi Neidhart: Joni Zott, Du wirst der neue Programmleiter im Rockhouse. Magst du kurz deinen musikalischen Lebenslauf vorstellen und wieso du dich für den Rockhouse-Job beworben hast?
Joni Zott:
Ich bin durch meine Eltern sehr früh mit Musik in Berührung gekommen. Erste Konzerte von Tracy Chapman 1992 am Domplatz oder EAV in der Sporthalle Alpenstrasse haben sich eingebrannt. Ich hatte schon immer eine starke Verbindung zum Rockhouse, wo ich meine Jugend verbracht habe, sei es als Gast bei Konzerten, im Gastgarten oder mit meiner damaligen Band Zufallstreffer. Ich war auch in verschiedenen Veranstaltungen und Projekten involviert. Später arbeitete ich in München im Backstage und organisierte Gastveranstaltungen sowie die Personaleinteilung. In Wien habe ich als selbstständiger Booker für die Arcadia Agency gearbeitet. Seit 2021 bin ich Head of Booking bei der Arcadia Live GmbH und verantworte alle Shows, Festivals und Projekte, die von der Arcadia veranstaltet werden.
Viele Dinge haben zusammengespielt, aber wie erwähnt, hat das Rockhouse meine musikalische Laufbahn in meiner Jugend und in weiterer Folge meinen Berufsweg geebnet. Diese Möglichkeit möchte ich in Zukunft an die kommende Generation weitergeben. …
Didi Neidhart: Gibt es schon irgendwelche neuen Projekte oder Programm-Reihen, die dir vorschweben?
Joni Zott: Ich will mir erstmal einen Überblick verschaffen und eine geordnete Übergabe bis Jahresende sicherstellen. Wolf Arrer hat ja auch schon weit ins Jahr 2024 vorgearbeitet und der Vorlauf bei Konzerten ist ja meist ein halbes Jahr.Aber durch die so starkgewordene österreichische Musikszene kann man durchaus neue Reihen konzipieren. Menschen sollen wieder mehr heimische Bands durch einen Konzertbesuch entdecken, das hat die letzten Jahre stark abgenommen. Mit den richtigen Ideen kann man hier sicher Bewegung reinbringen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass jedem, egal mit welchem Budget und Hintergrund, der Zugang zu Kultur und Konzerten offensteht. Dies ist vor allem jetzt ein wichtiger Punkt, weil auch Konzerttickets wegen der gestiegenen Kosten teurer geworden sind. ...

Didi Neidhart: Worauf was freust du dich am meisten, wenn du an deine zukünftige Arbeitsstelle denkst?
Joni Zott: Ich erlebe das Rockhouse nach all den Jahren jetzt als Mitarbeiter. Man könnte sagen, der Kreis schließt sich. Aber das klingt abgeschlossen und das ist es nicht. Ich freu mich auf die neuen Kolleginnen und Kollegen, die ich zum Teil auch schon über zwanzig Jahre kenne.

DrehPunktKultur dankt seinem Kooperationspartner Mica Austria. Das gesamte Interview ist nachzulesen auf - www.musicaustria.at
Bilder: Mica Austria / Herbe (1); Arne Muesler (1); www.rockhouse.at (2); Matthias Heschl (1)
 
 

 

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014