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Kreativität gegen den „Dirndlwahnsinn“

HINTERGRUND / TOBI-REISER-PREIS

05/03/13 Gemeinhin erwartet man beim Tobi-Reiser-Preisträger einen Menschen, der das Alte hegt und pflegt, der also mit beiden Beinen fest auf Heimatboden wurzelt und bestenfalls die Tradition weiterentwickelt. Und dann also Susanne Bisovsky…

Von Reinhard Kriechbaum

Sie ist Gewanddesignerin. Mit dem Dirndl, wie man es in den Auslagen durchschnittlicher Modehäuser sieht, haben die Kreationen der Susanne Bisovsky ganz wenig zu tun. Helga Rabl-Stadler, nicht in ihrer Funktion als Festspielpräsidentin, sonder mit ihrem als langjährige Leiterin eines Modegeschäfts geschärftem Blick: Susanne Bisovsky habe sich „wie kaum jemand mit der Gewandsprache einer Stadt“ auseinander gesetzt. Aus einer „Melange von Tracht und Wiener Chic“ habe sie eine „urbane Tracht kreiert, eine modische Abkehr vom internationalen Einheitslook.“ Als  sie den Salon von Susanne Bisovsky in der Wiener Seidengasse zum ersten Mal besuchte, habe sie sich „wie Alice im Wunderland“ gefühlt, „inmitten einer Orgie von Hutschachteln, üppigen Rosen auf Hüten, Bildern mit brennenden Herzen und einer rasenden Ansammlung schönster Bisovsky-Kleider.“ Bisovsky sei mithin auf dem besten Wege, Botschafterin für eine sehr eigenständige österreichische Mode zu werden.

Ist denn „Mode“ nicht genau das Gegenteil von Tracht? In der landläufigen Meinung wird das so gesehen. Schaut man sich alte Bilder, noch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, an, so erkennt man rasch, dass die damaligen Kleidungsgewohnheiten herzlich wenig zu tun haben mit dem, was heutzutage als „Tracht“ ihrer vermeintlichen Authentizität wegen hoch gehalten wird. Städter kleideten sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, wenn sie auf Sommerfrische gingen, gerne so, wie sie die Landbevölkerung in ihren romantisierenden Vorstellungen gerne gesehen hätten. Und die ländlichen Gastgeber ihrerseits haben nicht selten Kapital draus geschlagen, indem sie den Erwartungen der Sommerfrischler entgegen kamen. Da wurde also Tracht frisch und fröhlich „erfunden“, aus Versatzstücken designt. Der sich rasant ausbreitende Nationalismus spielte natürlich auch in die vermeintlichen Trachten-Vorstellungen kleinerer Räume hinein, was wiederum der Kreation regionaler Trachten zuarbeitete.

Ulrike Kammerhofer-Aggermann, Leiterin des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde: „Was wir heute als ‚Tracht‘ bezeichnen, ist im Verlauf von 150 Jahren entwickelt worden: zuerst aus der städtischen Vorliebe für die vermeintliche Romantik der ‚Menschen in den Alpentälern‘, aus binnenmerkantilen und sozialökonomischen Interessen (man denke an Karl Adrian und den Verein für Heimatschutz und Denkmalpflege) und schließlich aus verschiedenen politischen Interessen.“

Im Grunde ist es also nicht anders, wenn sich ein kreativer Geist wie die Reiser-Preisträgerin Susanne Bisovsky dran macht, aus Versatzstücken der Tracht und unterschiedlichsten Elementen urbaner Kleidungsgepflogenheiten Neues schafft. Das bestätigt die Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann: „Das, was wir heute Tracht nennen, hat niemals so existiert, wie es heute aussieht. Und auch nicht mit eben dieser Bewertung. Es ist ein Kulturprodukt, das in den letzten 150 Jahren durch menschliche Kreativität entwickelt, angepasst und ausgewählt worden ist.“ Genau genommen sei daher heutige "Tracht" das „Produkt und die Geschichte einer städtischen Sehnsucht nach einer besseren Welt und sichtbaren Zugehörigkeit“.

Hans Köhl vom Salzburger Heimatwerk: „Der Zeitpunkt für die Preisverleihung wurde klug gesetzt.“ Einerseits sei bei der gleichzeitig stattfindenden Salzburger Tracht & Country Messe ein „wahrscheinlich nicht mehr zu überbietender Dirndlwahnsinn“ zu beobachten, andererseits setzten die  „Freunde des Salzburger Adventsingens“ mit der Tobi Reiser Preisträgerin 2013ein deutliches Signal wider den Überfluss. „Susanne Bisovsky mag vordergründig als Preisträgerin für Tracht ungewöhnlich erscheinen. Ihre Interpretationen können jedoch als Synonym für die kreative Gestaltung eines demokratisierten, von Ideologien befreiten Trachtenstils gelten“, so die Jury in ihrer Begründung.

Bilder: Freunde des Salzburger Adventsingens (1); www.bisovsky.com (3)
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