Böser Bube, guter Bube?
KULTURPOLITIK / FESTSPIELREDNER
01/04/11 An der Ausladung des Schweizers Jean Ziegler scheiden sich die Geister. Dass die Sponsoren ihre Finger mit im Spiel gehabt hätten, weist die Festspielpräsidentin vehement zurück. Literaturnobelpreisträgerin Jelinek und andere Literaten ergreifen Partei für den Globalisierungsgegner.
Am Donnerstag (31.3.) Nachmittag hat sich Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler offiziell zu Wort gemeldet. „Mit aller Vehemenz möchte ich mich aber gegen den im ORF von Jean Ziegler geäußerten Verdacht zur Wehr setzen, man hätte ihn als Kniefall gegenüber den Sponsoren ausgeladen. Kein Sponsor wusste von einer möglichen Einladung Zieglers. Mit keinem haben die Landeshauptfrau oder ich darüber gesprochen.“
Dass Ziegler nicht kommt, darüber ist die Festspielpräsidentin freilich nicht wirklich bös, wenn sie es auch so nicht ausspricht. Die Einladung ist ja seit je her Sache des Landes. „Ich verhehle nicht, dass wir von den Festspielen diese Wahl seit jeher gerne eigenständig getroffen hätten.“
Sie habe eine gute Gesprächsbasis mit der Landeshauptfrau, „und konnte daher auch für 2011 eine Reihe von möglichen Kandidatinnen und Kandidaten mit ihr diskutieren. Unter den von mir Vorgeschlagenen waren ausschließlich mögliche Rednerinnen und Redner aus dem Bereich von Philosophie, Literatur und Architektur. Die Landeshauptfrau entschied sich offensichtlich für Jean Ziegler. Bei aller Wertschätzung für sein großes gesellschaftspolitisches Engagement, kann man über seine Äußerungen zu Muammar al-Gaddafi gerade im Licht der jetzigen Entwicklungen durchaus geteilter Meinung sein.“ Gabi Burgstaller habe es „auch im Interesse von Jean Ziegler nicht für sinnvoll gehalten, einen Redner einzuladen, bei dem zu erwarten war, dass in der Folge nicht die Inhalte seiner Festspielrede, sondern der genannte Kritikpunkt im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden wäre“.
Die Autoren Elfriede Jelinek, Michael Scharang und Peter Turrini haben sich in einer Aussendung mit dem Sachbuchautor, Globalisierungskritiker und Politiker Jean Ziegler solidarisiert. Sie finden den Umgang mit dem 76jährigen Schweizer Intellektuellen inakzeptabel: "Wir empfehlen den Salzburger Festspielen, sich diesmal selbst auszuladen und den Festspielsommer mit der Schmach und der Schande zu verbringen, mit der sie sich überhäuft haben."
Eine ganz andere Sicht auf die Dinge hat Bürgerlisten-Kultursprecher Bernhard Carl: „Der Schweizer Globalisierungskritiker und ehemalige UNO-Sonderbotschafter Jean Ziegler darf nicht zum Festspielpublikum sprechen. LH Burgstaller will ihn angeblich ‚schützen‘. Wer schützt uns vor so einer Kulturpolitik?“ In Wirklichkeit, so Bernhard Carl, schütze die Landeshauptfrau nicht Ziegler vor ungerechtfertigten Vorwürfen, „sondern sie ‚schützt‘ die Öffentlichkeit vor kritischen Gedanken.“ Die Salzburger Grünen planen angeblich eine Gegenveranstaltung, bei der Jean Ziegler sprechen soll.
Das Wikipedia-Bild oben ist im Herbst 2009 entstanden, als Ziegler im besetzten Audimax der Wiener Universität das Wort vor Studenten ergriffen hatte. (PSF/BL Salzburg/dpk)