Frauen-Esprit á la Française

LINZ / BRUCKNERFEST

04/10/23 Im Vorjahr gastierten sie in Innsbruck. Nun boten Jérémie Rohrer und das von ihm gegründet auf Musik des 18. Und 19. Jahrhunderts spezialisierte Orchester Le Cercle de l’Harmonie im Brucknerhaus eine Ur- und drei Erstaufführungen. Solistisch begeisterten Konzertmeister Jonatan Stone und Pianist David Kouch.

Von Horst Reischenböck

Es war von vornherein klar, dass der diesjährige Schwerpunkt auch „Compositrices“ aus Frankreich miteinbezieht. Ihrer gibt es mehr als zwanzig, und nur wenige davon sind bekannt. Weil es ja für Damen nicht üblich war „hervorzutreten“ und, wenn sie nicht finanziell abgesichert oder von ihren Gatten unterstützt wurden, die Öffentlichkeit ohnedies kaum Notiz von ihnen nahm. Es gab wenige Ausnahmen, wie die begüterte Marianne Martinez, die wie Mozart in die renommierte Accademia in Bologna aufgenommen wurde. Immer wieder gestand man aus maskuliner Sicht weiblichern Kräften lediglich „zweite Ordnung“ zu.

Beispielsweise Marie Jaëll, eine der führenden Pianistinnen ihrer Zeit: Als sie mit ihrem österreichischen Ehemann als Duo in Wien konzertierte, wurde sie vom geifernden Kritikerpapst Hanslick förmlich in der Luft zerrissen. Das betraf auch ihre Werke: Sie hinterließ ein durchaus respektables, technisch anspruchsvolles Cellokonzert und zwei Klavierkonzerte. Warum sie eine Violinromanze nicht vollendete, bleibt unergründlich: Von Nadin Polyakova fertig instrumentiert, bot deren Uraufführung Dienstag (3.10.) Jonathan Stone Gelegenheit, seine Geige lyrisch zum Schmelzen zu bringen.

Kein Geringerer als Camille Saint-Saëns widmete Marie Jaëll sein Klavierkonzert D-Dur op. 17. Auf der Beliebtheitsskala der Interpreten ist dieses, vor allem den Nummern 2, 4 und 5 gegenüber an den Rand gedrückt. Zu Unrecht, wie David Kouch auf einem vorzüglich passend klingenden Erard-Flügel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts demonstrierte: Virtuos im Rankenwerk der Ecksätze und im Andante inmitten bezaubernd verinnerlicht ausgesungen über hingetupften Streicher. Mit einer leicht spanisch angehauchten Serenade zeugte David Kouch vom kompositorischen Können der sonst nur als Mezzo-Sopranistin berühmt und in Erinnerung gebliebenen Pauline Viardot Garcia, die immerhin von Franz Liszt unterwiesen worden war. Kompositionsunterricht erhielt sie, wie Louise Farrenc, von Antonin Rejcha. Damit war die Verbindung zum zweiten Teil des Abends geknüpft, der mit Farrencs Ouvertüre Nr. 1 e-Moll op. 23 aus 1834 begann. Louise Farrencs schrieb zwei solcher Ouvertüren, die immerhin Hector Berlioz begeisterten. Ein gewichtiger dramatischer Wurf, dem sie drei Sinfonien folgen ließ.

Zeitgleich schuf in Deutschland Emilie Mayer, Schülerin von Carl Loewe, acht Sinfonien, von denen aber nur die Hälfte erhalten blieb. Ihre Sinfonie Nr. 7 f-Moll wurde früher als fünfte gezählt, tatsächlich ist es die bislang bekannt letzte aus ihrer Feder von Emilie Mayer.

Spannungsgeladen bewegte sich Le Cercle de l’Harmonie, die anstatt der zuvor benutztzen Inventionshörner nun ihr Originalklangbild mit Ventil-Instrumenten gleichsam „deutsch“ abdunkelte, durch  durch das Allegro agitato. Das anschließede Adagio, Gelegenheit für die formidablem Holzbläser sich zu positionieren, führte in zwei Anläufen in einen Trauermarsch und lief piano aus. Nach dem rhythmisch vertrackteb Scherzo ließ auch das Finale keinen Zweifel daran, dass trotz Trompetenglanz dem Kampf kein positives Ende beschieden wird.

„Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan“ ist das Motto der Veranstaltungsreihe. Der Jubel für die Ausführenden unter der Leitung von Jérémie Rohrer möge seine Wirkung auch in der künftigen Wahrnehmung dieser fulminanten Komponistinnen entfalten. Hoffentlich Nachhaltigkeitseffekt und nicht Eintagsfliege!

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Bild: www.jeremierhorer.com / Caroline Doutre