Auch eine Kur ist eine Inszenierung

REISEKULTUR / BODENSEE / HEILFASTEN BUCHINGER WILHELMI

05/08/16 Irgendwann zwischen der x-ten Premiere und dem bald anstehenden Festivalreigen fiel die Entscheidung. Diesen Sommer wird gefastet. Und zwar doppelt: einerseits ein dreiwöchiges Kulturfasten – keine Oper, kein Theater, kein Konzert – andererseits der ganz reale Verzicht aufs Essen.

Von Jörn Florian Fuchs

In einer Klinik. Aber wo? Eine Internetrecherche fördert Durchwachsenes zutage, in den besseren Häusern zahlt man viel Geld für wenig oder gar kein Essen. Und Wandern, Schwimmen, Radfahren kann ich auch zuhause. Da taucht plötzlich der Name Buchinger Wilhelmi auf und wenn man den Bewertungen auch nur halbwegs trauen mag, so muss sich hier Spektakuläres abspielen. Die Sache hat ihren Preis, zweifellos, doch ein Luxusurlaub am Strand stattdessen? Hilft das wirklich gegen den Stress eines freiberuflich arbeitenden Journalisten? Nichts da, ab an den Bodensee!

Dort angekommen, gibt es ein leichtes vegetarisches Essen, am nächsten Tag nur Reis mit wechselnden Beilagen und dies war es dann auch schon mit Speis, indes keineswegs mit Trank. Letzterer ist obligatorisch, mindestens drei Liter am Tag, in Form von Wasser und Kräutertees. Das Mittagsmenü besteht aus Saft oder einer mageren Suppe, und statt Auflauf gibt's einen Einlauf...

All dies zehrt zwei bis drei Tage recht arg an Leib und Geist, danach stellt sich aber tatsächlich die angekündigte und erhoffte Wirkung ein. Neue Kräfte entstehen. Hatte der Kritiker früher bis in die Puppen an Texten oder Radiobeiträgen gefeilt, so wandert er nun mühelos zwischen sechs und acht (in der Früh!) zwischen See, Hügeln und Wald herum. Alle Touren werden von erfahrenen Guides begleitet, die ebenso wie das fest angestellte Buchinger-Personal einen guten Geist vermitteln. Sitzt man etwa in der Anfangsphase ein wenig deprimiert im terrassenförmigen Park der Klinik, setzt sich stracks Küchenchef Hubert Hohler für einen erbaulichen Plausch über Ernährung und weitere existentielle Fragen dazu. Und was macht man sonst den ganzen Tag und die Abende?

Zur Ruhe kommen, gelegentlich das Gespräch mit Fastenschwestern und -brüdern suchen, den Pool nutzen, Anwendungen wie Osteopathie buchen. Das Angebot ist überaus reichhaltig und geht von reiner Wellness (Massagen) bis zu ausgeklügelten Therapien. Ausflüge und ein fein abgestimmtes Kulturangebot ergänzen den Aufenthalt. Nachhaltigsten Eindruck hinterließ der fulminante Pianist Paul Amrod, der in einer guten Stunde quasi die gesamte Entwicklung von Jazz, Blues, Swing und Bebop nachvollziehbar machte.

Nach (in diesem Fall) zwölf Tagen ist die Sache vorbei, langsam gewöhnt man sich ans Essen, erlaubt sich auch mal das eine oder andere Fischbrötchen außerhalb der Klinik. Und es gibt endlich den sehr vermissten Kaffee... Was bleibt von alledem? Eine hohe Wachheit, zehn Kilo weniger auf der Waage und ein Bündel Einsichten. So ist das mit dicker Remoulade eingedeckte Semmerl am Bahnhof zum Beispiel von nun an tabu.

Buchinger Wilhelmi, Kliniken für Heilfasten, Integrative Medizin und Inspiration. Überlingen ist der eine Standort, ein mittelalterliches Städtchen am westlichen Ausläufer des Bodensees (Überlinger See). Der zweite Standort ist ist im spanischen Marbella an der Costa des Sol, quasi in Sichtweite von Gibraltar – www.buchinger-wilhelmi.com
Bilder: Buchinger Wilhelmi