Musik am Krankenbett ist nicht nur ein Wellness-Faktor. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, wie man Musik und Rhythmus gezielt in der Rehabilitation und Therapie von neurologischen Erkrankungen einsetzen kann. Vor allem motorische-, kognitive- und Sprachfunktionen verbessern sich bei Patienten mit Schlaganfall, Parkinson, Schädelhirntrauma, Demenz und Alzheimer oder Autismus.
Diese Entwicklung führt traditionelle Konzepte der konventionellen Musiktherapie, die hauptsächlich auf Wohlbefinden, emotionalen Ausdruck und soziale Interaktionskonzepte wirken sollte, entscheidend weiter: von der therapeutischen Peripherie ins Zentrum der Neurorehabilitation.
Die Internationale Gesellschaft für angewandte Neuromusikwissenschaft hat am 28. August in Salzburg ihren ersten Weltkongress veranstaltet. Der Kongress habe, so betonen Fachleute, "einen Wendepunkt im Verständnis der Musik in Therapie und Medizin" gespiegelt. Im Zuge der wissenschaftlichen Erforschung von neuronalen Verarbeitungsprozessen der Musik im menschlichen Gehirn habe sich nämlich in den letzten Jahren eine völlig neue Funktions- und Verstehensweise entwickelt: Musik ist eine biologisch verankerte sensorische und kognitive Sprache des menschlichen Gehirns, die in akustischen Klangmustern strukturiert ist. Musik spricht Gehirnregionen an, in welchen generelle motorische Kontrolle, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und Sprechen sowie Exekutivfunktionen verarbeitet und gesteuert werden. Dadurch kann Musik Neuroplastizität, d.h. den Bau neuronaler Netze im Gehirn, in diesen funktionalen Einheiten ansprechen und verändern, sodass auch im geschädigten Gehirn wichtige Funktionsveränderungen bewirkt werden.
Der Salzburger Neurologe Univ.-Prof. Gunther Ladurner erklärt: „Musik verbessert mehr als Sprache die Fähigkeiten des Gehirns. In der Kernspin-Tomografie kann man nachweisen, dass hier unterschiedliche Gehirnregionen aktiviert werden.“ In der Christian-Doppler Klinik können Patienten auch im so genannten „Musikbett“ behandelt werden.
„Das Gehirn reagiert nicht nur auf Musik im allgemeinen, sondern auch auf den emotionalen Inhalt der Musik", bestätigt der Experte für Neurorehabilitation Univ.-Prof. Klaus von Wild von der Universität Münster. "Geübte Therapeuten können erkennen ob beispielsweise der Wachkomapatient eine bestimmte Musik als angenehm oder eher unangenehm empfindet. Auf Melodien in Dur reagieren Patienten friedvoll und beruhigt, hingegen man bei Moll Melodien eher Traurigkeit auslöst.“ Musik unterstütze nicht nur den therapeutischen Erfolg sondern helfe auch, um mit geringeren Medikamentendosen zu therapieren.
Gunther Ladurner beschreibt: „Musik löst in den Kernregionen des Gehirns ein Belohnungsverhalten aus - es kommt zu einem biochemischen Prozess.“ Musik bewirke im limbischen System die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe wie Hormone und Neurotransmitter, was dann wiederum die Wahrnehmungsbereitschaft steuert. Das Limbische System ist auch für die Ausschüttung von Endorphinen, körpereigenen Morphinen verantwortlich. Dieses Nervenzentrum steuert auch die vegetativen Prozesse, also Atmung, Pulsschlag, Blutdruck, Verdauung, Hormonhaushalt und andere. "Des Weiteren sind im Limbischen System neuronale Schaltkreise angelegt, die uns das Erleben von Gefühlen ermöglichen, und zu den Zonen des Langzeitgedächtnisses führt." (SALK)