Passion = Leid + Leidenschaft

BENEFIZ - PASSION - ORATORIUM

06/04/22 Stabat Mater dolorosa... Der steinalte Text über die Schmerzen der Gottesmutter unter dem Kreuz Jesu. Lateinisch und katholisch und von gestern? Im Zeichen des Ukraine-Krieges bekommt das – in Wirklichkeit gar nicht abgehobene, sondern zutiefst menschliche Gedicht – eine aktuelle Dimension. In der Vertonung von Pergolesi aber klingen auch Trost und Zuversicht...

Von Heidemarie Klabacher

Weihnachtsoratorium geht halt nur zu Weihnachten, sagte jüngst der Kulturvereinigungs-Chef, glücklich über die Wieder-Einladung zum abgesagten BWV 248. Passion geht nur zu Ostern, gilt sinngemäß. Die abklingende Pandemie lässt Aufführungen zu. Doch der Ukraine-Krieg trübt aufkeimende Hoffnung. Es bleibt ambilvalent... Namhafte Künstlerinnen und Künstler präsentieren jedenfalls dieser Tage vor-österliche Vokalwerke.

Den Beginn macht Pergolesis Stabat Mater mit dem großen Countertenor Andreas Scholl in einem Benefizkonzert für die Ukraine: „In solidarischer Gemeinschaft mit der Ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche St. Markus und dem Ukrainischen Zentrum Salzburg“ lädt die Salzburger Konzertgesellschaft zum Konzert für die Ukraine – heute Mittwoch (6.4.) um 20 Uhr im Salzburger Dom. Es spielt das Orchester 1756, vom Dirigenten und Cembalisten Konstantin Hiller im Jahr 2006 in Salzburg gegründet. Eröffnet wird mit Vivaldi und Biber, Herzstück des Programms ist das Stabat Mater von Givanni Battista Pergolesi. Es singen die Sopranistin Tatyana Dyiu und der Countertenor Andreas Scholl. Der Giulio Cesare von den Pfingstfestspielen – es war die coole Aufführung mit dem Krokodil – ist für die Schreiberin dieser Zeilen, bei aller grandioser Konkurrenz, bis heute DER Countertenor für's Stabat Mater. Wer den Klang im Ohr hat, ist zugelich gewappnet für die bekannt heikle Akustik des Salzburger Doms.

Am Donnerstag (7.4.) folgen auf Einladung der Salzburger Bachgesellschaft um 19.30 in der Großen Aula Michi Gaigg und das L'Orfeo Barockorchester mit Johann Sebastian Bachs Johannespassion BWV 245. Es singen Solistinnen und Solisten des Collegium Vocale Salzburg. „Beim Evangelisten Johannes wird Christus, der als König in sein himmlisches Königreich zurückkehrt, in den Mittelpunkt gestellt. Bach treibt das Drama der Verhandlung gegen Jesus im Dialog der Protagonisten mit hochexpressiven Chören und ergreifenden Arien voran“, sagt die Dirigentin Michi Gaigg.

Recht innovativ und schon auch ein wenig frech klingt das neue Projekt des Ensembles BachWerkVokal unter der Leitung von Gordon Safari in der Kollegienkirche: Aufgeführt wird die „verschollene“ Markuspassion von Johann Sebastian Bach in Verbindung mit einer Uraufführung. Überliefert von BWV 247 ist ja nur nur der Text. Das Ganze ist ein beliebtes Forschungsgebiet für die Musikwissenschaft. Rekonstruktions-Versuche von Komponisten gibt es auch schon seit vorigem Jahrhundert. Der jüngste steht nun vor der Uraufführung in Salzburg: „Die nicht mehr von Bach erhaltenen Teile des Stücks komponierte Jakob Gruchmann neu“, erklärt Gordon Safari. Die Musik soll in ein „installatives, szenisches Raum- und Bühnenkonzept“ eingebettet werden. Aufführungen sind am 13. April um 18 Uhr und am Karfreitag 15. April um 15 Uhr. Auch hier gibt es einen sozialen Aspekt: „Bewusst verzichten wir bei diesen Konzerten auf Eintritt, um allen Menschen den Besuch dieser Veranstaltungen zu ermöglichen.“

www.orchester1756.com
www.salzburger-bachgesellschaft.at
www.gordonsafari.com