Feinsinnig und lautstark

PHILHARMONIE SALZBURG / FUCHS / HAGEN

07/03/19 Die Jungen wollen sich von den Alten abnabeln, weil sie es müssen. In Wirklichkeit ist es aber nicht nur kein Problem, dass Familientraditionen bestehen, sondern ein wunderbarer Zustand mit goldener Tradition: Julia Hagen war, im Abo-Konzert der Philharmonie Salzburg die Solistin in Edward Elgars Cellokonzert.

Von Erhard Petzel

Man sollte als Rezensent am besten den Nachwuchs nicht in Bezug zu seiner Familie setzen. Hier geschieht es bewusst, um auf das Glück hinzuweisen, wenn die nächste Generation auf dem Podium musiziert, während der Papa im Publikum sitzt, und auf den Unfug, wenn medial immer der Umstand beklagt wird, dass Bildung vererbt wird. Warum denn auch nicht?

Der beeindruckende Ausbildungsweg der 1995 geborenen Julia Hagen beginnt mit fünf Jahren im Musikum Salzburg bei Detlef Mielke, führt - über das Mozarteum bei Enrico Bronzi - nach Wien zu Reinhard Latzko und Heinrich Schiff. Die letzte Station ist Berlin bei Jens Peter Maintz, aber natürlich säumen einen erfolgreichen Musikerweg etliche Meisterkurse, darunter bei Gautier Capucon, und internationale Wettbewerbe. Salzburg darf sich glücklich schätzen um eine Musikszene, die dem Nachwuchs einen fruchtbaren Boden bereitet, sodass Solisten ihre Orchester finden und umgekehrt.

Edward Elgars Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 85 verlangt eine besonders innige Beziehung zwischen Solisten und den farbigen Klanggruppen des Orchesters. Nicht nur die Gesten der Bewegungen sollen fein aufeinander reagieren, sondern vor allem um besonders diffizile Klangfarben-Abstimmung geht es in diesem Abschiedswerk Elgars von 1919.

Julia Hagen kommunizierte  souverän mit dem von Elisabeth Fuchs feinnervig geleiteten Klangkörper, ließ ihr Instrument in den tiefen Registern im Orchesterklang aufgehen - um leuchtend wieder hervorzutreten. Man muss Elgars Aufarbeitung des Weltkriegstraumas nicht nachvollziehen, um in den magischen Sog dieser emotional immens reichen Musik zu geraten. Die Arie des Adagio versöhnt zunächst elegisch zerrissene Episoden. Die Dramatik des rhapsodischen Finales erinnert an die gespenstische Fantastik Berlioz‘. Vielleicht eine Mahnung an uns Menschen vor unserer eigenen Hinrichtung? Abseits dieses verhexten Zerrbildes vermittelten im die Musizierenden pure Magie.

Als Draufgabe hüllte sich Julia Hagen in die Klangdecke ihres Instruments mit einem Arrangement von Johannes Brahms‘ Wiegenlied.

Nach der Pause Antonin Dvořáks Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88. Das effektvolle Werk kommuniziert in seiner Lebensbejahung durchaus mit Elgars Stück, indem es mit diesem den rhapsodischen Charakter romantischer Raffinesse teilt. Elisabeth Fuchs hält die Spannungsbögen der musikalischen Architektur in organischem Atem und badet lustvoll in den wirkungsmächtigen Kontrasten.

Der Große Saal reagiert allerdings akustisch empfindlich auf bacchantisch überbordende Orchesterausbrüche. Wenn es sinnbildlich mit Pauken und Trompeten abgeht, entsteht ein unangenehmer Klirrfaktor im Raum. Ein solcher blieb beim als Zugabe abgefeuerten Slawischen Tanz trotz vergleichbarer Dynamik aus. Vielleicht also ein Phänomen, das sich durch Einstellung der Register vermeiden ließe.

So sind denn auch die satten Celli-Klangmatten und die eleganten Orchester-Effekte die vornehmlichen Genusspunkte in dieser Aufführung der Achten Dvořák. Matej Haas lässt sein Englischhorn-Solo im zweiten Satz strahlend mit den Klängen des Holzes verschmelzen. Elegant die Gegenrhythmen im Walzer. Wenn nicht zerschlagen durch die Wucht der Lautstärke, kommen auch die polyphonen Strukturen zum Tragen. Reicher Applaus für einen genussreichen Abend.

Bilder: Philharmonie Salzburg