Sitzpläne à la Mahler und Chailly

CD-KRITIK / SCHUMANN / MAHLER

06/07/10 Morgen, Mittwoch (7.7.) ist Gustav Mahlers 150. Geburtstag. Riccardo Chailly Gewandhausorchester Leipzig bringen gleich zwei Jahresregenten auf eine Doppel-CD: Schumanns Symphonien in Mahlers Bearbeitung.

Von Horst Reischenböck

Der derzeitige Chefdirigent Riccardo Chailly blickt immer gerne wieder in Nischen. Schon sein Debüt als neuer „Kapellmeister“ (wie die Berufsbezeichnung in Leipzig noch immer altertümelnd traditionell heißt) feierte er mit seines Amtsvorgängers Felix Mendelssohns „Lobgesang“-Sinfonie. Und zwar in deren Erstgestalt: also der zur Drucklegung revidierten Uraufführungsversion von 1840. Im Vorjahr, als es Mendelssohns 200. Geburtstag zu feiern galt, hat er diese Rarität durch „Discoveries“ ergänzt: etwa die Londoner Fassung der „Schottischen“ und die 1830 in Rom entstandene „Ouvertüre zur einsamen Insel“, aus der später „Die Hebriden“ auftauchten…

Heuer geht’s um den ein Jahr jüngeren, 1810 geborenen, Robert Schumann. Er war auch in Leipzig, wo Freund Mendelssohn 1841 seinen sinfonischen Erstling erfolgreich aus der Taufe hob. Dass sich das Jubiläum mit Gustav Mahler synchronisieren lässt, verdankt die Musikwelt dessen posthum 1927 durch die Universal Edition veröffentlichter Retusche von Schumanns symphonischem Kleeblatt. Mahler revidierte übrigens auch bedeutende Werke anderer Komponisten, wie Bach (um dadurch eine Aufführung „ganz nach Art der Alten“ zu ermöglichen), Beethoven, Schubert und Bruckner.

1895 hatte Mahler erstmals die „Frühlingssinfonie“ in einem Abonnementkonzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Hamburg dirigiert. 1900 folgte die „Vierte“ mit den Wiener Philharmonikern. Die beiden Mittleren dann erst 1910/11 in der Carnegie Hall in New York, Mahlers letzter Wirkungsstätte. Wie er war übrigens auch Kollege Felix Weingartner der Ansicht, Schumanns Orchesterwerke seien nur instrumentierte Klavierkompositionen (was beim Finale von op. 38 insofern stimmt, als dessen Seitenthema die achte Variation der „Kreisleriana“ darstellt): „Bei Schumann werde die Freude an den Symphonien durch den oft geradezu schlechten Orchestersatz verdorben.“ Seit 1990 erschienene Interpretationen auf Originalinstrumenten (von Derek Solomons, Roy Goodman oder Sir Roger Norrington) konnten das längst widerlegen.

Wobei Solomons mit seinem The Authentic Orchestra auch dem Sitzplan des Gewandhausorchesters von 1839 in dessen Vorgängerbau folgte. Damals saßen die noch mit Darmsaiten bespannten 2. Violinen links vom Dirigenten, die ersten auf der rechten Seite, damit klanglich gedämpfter. Riccardo Chailly hingegen favorisierte 2006/2007 im neuen Gewandhaus die wie zu Mahlers üblich „klassische“ Positionierung mit den 1. Geigen links von ihm und dahinter Celli wie Bässe.

Spürbar animiert, energisch aufgeladen erklingen die Sinfonien dergestalt vom ersten Auftakt an, bei dem Mahler die Fanfare, den „Ruf zum Erwachen“ auf Schumanns ursprüngliche Intentionen zurückführte. Was damals  Naturhörner und Trompeten nicht zum gewünschten Ausdruck führen konnten, realisieren Ventilinstrumente heutzutage mühelos. Begeisternd frisch, eben Mahlers Temperament und Intentionen zur Aufhellung entsprechend rege, lebendig, dynamisch entsprechend geht es durch alle vier Sinfonien detailliert weiter.

Genauso durchsichtig von der Aufnahmetechnik unterstützt und damit Aldo Ceccatos Versuch von 1987 mit dem Bergen Philharmonic Orchestra um Längen hinter sich lassend. Eine lohnenswerte Bereicherung, der Auseinandersetzung absolut wert!

Robert Schumann: The complete Symphonies. Mahler Edition. Gewandhausorchester, Dirigent Riccardo Chailly. 2CDs DECCA 478 0037. - www.deccaclassics.com