Bartok-Eulen nach Ungarn getragen

CD-KRITIK / BENJAMIN SCHMID

21/09/18 Kürzlich wurde Benjamin Schmid ob seines 50. Geburtstages in der Stiftung Mozarteum mit einem Sonderkonzert bedacht. Seine Diskographie ist seitenlang, und was Violinkonzerte betrifft, dürfte sie in der gesamten Kollegenschaft eine der umfangreichsten sein.

Von Horst Reischenböck

Da sind – natürlich – neben Mozart die Konzerte von Brahms, Bruch, Goldmark, Korngold, Ligeti, Lutoslawski, Mendelssohn, Muthspiel, Reger, Szymanowski, Weinberg und Wieniawski aufgelistet. Aber es finden sich auch bei uns eher unbekannte Namen wie Kenar Englund, Richard Dünser oder Uuno Klami.

Zwei Saisonen lang wirkte Benjamin Schmid als Gastkünstler beim Philharmonischen Orchester Pannoniens, einem im ungarischen Pécs beheimateten und sich international englisch vermarktenden Klangkörper (Pannon Philharmonic Orchestra). Zwei Labels bieten als hörenswertes Ergebnis Aufnahmen der Konzerte von Bartók und Tschaikowski.

Béla Bartók in Ungarn zu spielen ist eigentlich wie Eulen nach Athen tragen. Benjamin Schmid geht mit der Musik souverän um, ein Herz und eine Seele mit dem ungarischen Orchester. Übrigens eine Werkpaarung, die erst jüngst mit Renaud Capoucon ebenfalls auf den Markt kam.

Vom Jänner 2017 datiert Schmids Aufnahme des spät entdeckten und deshalb als Opus posthumus veröffentlichten Violinkonzerts Nr. 1 Sz 36. Wie er, vorerst im Alleingang, in das zärtliche Andante sostenuto einsteigt, um sich dann fast fünf Minuten lang unentwegt lyrisch auf seiner „ex Viotti“ Stradivari zu verströmen, ist das spontan packend. 110 Jahre ist dieser zu Lebzeiten des Komponisten nie gespielte Zweisätzer mittlerweile alt. Das Werk verdiente, auch bei uns öfter gespielt zu werden. Es mündet in ein folkoristisches, für den Solisten dankbar virtuoses Allegro giocoso.

Genauso zärtlich schleicht sich Benjamin Schmid in den „Notturno“-Anfang von Bartóks Schwesterwerk Sz 112 ein. Das Konzert ist in des Komponisten dritter Schaffensperiode, knapp vor der Emigration entstanden und, laut Landsmann Ferenc Fricsay, ein Produkt „des Bartókschen Gedankenvulkans, … einer riesigen kompositorischen Eruption“. Im Kopfsatz klingt schon das spätere Konzert für Orchester an, im Finale erinnert es an die klangliche Brutalität der Ballettmusik „Der wunderbare Mandarin“. Besonders berührt, wie Schmid die vielschichtigen Stimmung im zentralen Andante tranquillo auskostet. Ein großer Wurf!

Wer‘s lieber kulinarischer haben möchte, greife zur zweiten CD, mit Benjamin Schmids Interpretation des Violinkonzerts op. 35 von Pjotr Iljitsch Tschaikowski. Seit 35 Jahren – so verrät der Geiger – beschäftige ihn dieses Stück nun schon. Er spielte es bereits als 17-jähriger im Finale des Concours International Yehudi Menuhin. Im Oktober 2017 fand Schmid es nun einer Einspielung wert, die ebenfalls im Kodály Center Pécs entstand. Es lohnt, Schmids im Booklet abgedruckte persönliche Überlegungen in Bezug auf seine Ideen zur Gestaltung des Soloparts aufmerksam nachzulesen. Warum nur befolgte keiner seiner Kollegen bisher Tschaikowskis Anmerkungen bzw. Anforderungen? Jedes Detail zu beschreiben, würde den Umfang dieser Besprechung sprengen, daher der Tipp: einfach die Ohren spitzen und genießen! Genauso wie die Zugabe, Antonin Dvořáks geradezu schwelgerisch dahin schmelzende Romanze op. 11.

Benjamin Schmid (Violine), Pannon Philharmonic Orchestra, Ltg. Tibor Bogányi: Béla Bartók, Violinkonzerte Nr. 1 & 2, Gramola CD 99138; Tschaikowski, Violinkonzert D-Dur &
Dvořák, Romanze für Violine und Streichorchester f-Moll, OEHMS CLASSICS CD OC 467