Batik, Grawirlach und vieles mehr

LESEPROBE / HERINGSSCHMAUS UND KREUZLSTECKEN

19/04/19 Erycius Puteanus (1574–1646) war ein niederländischer Humanist. Er berichtet in seinem Werk Ovi Euconium von beschrifteten, gemalten und geätzten Ostereiern. Das war 1617, aber es ist natürlich bei weitem nicht der früheste Hinweis auf Ostereier. Den lieferte der fahrende Kleriker und Spruchdichter Freidank im frühen 13. Jahrhundert. – Aus dem Buch Heringsschmaus und Kreuzlstecken.

Von Reinhard Kriechbaum

Warum man überhaupt auf die Idee kam, Eier zu färben, darüber gibt es ganz unterschiedliche Theorien. Eine praktische Erklärung ist jene, dass man in der Fastenzeit die Eier notgedrungen haltbar machen musste. Einlegen war eine Möglichkeit, Kochen eine andere. Das Kochen macht die Eier zwar auch nicht dauerhaft haltbar, zögert das Verderben aber doch hinaus. Um gekochte von rohen Eiern zu unterscheiden, habe man sie gefärbt, so eine Vermutung.

In ähnliche Richtung argumentierte der Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser, wenn er argwöhnte: Die Segnung der bunten Eier sei einst schon deshalb angebracht gewesen, weil sie, bedingt durch die Fastenzeit, über Wochen liegen geblieben sind. Kirchlicher Segen gegen Nahrungsmittelvergiftung?

Die Benedictio ovorum, die Segnung der Eier, hat die Kirche bereits im 12. Jahrhundert eingeführt, seit damals werden in der Westkirche Eier gefärbt oder bemalt. Luther erwähnt rot gefärbte Eier. Zur Zeit von Papst Paul V. (1605–1621) betete der Priester in der Ostermesse: „Segne, Herr, wir bitten dich, diese Eier, die du geschaffen hast, auf dass sie eine bekömmliche Nahrung für deine gläubigen Diener werden, die sie in Dankbarkeit und in Erinnerung an die Auferstehung des Herrn zu sich nehmen.”

Das ist das Stichwort für die theologischen Erklärer des Phänomens Osterei. Aus dem vermeintlich „toten“ Objekt entsteht Leben. Die Parallele zur Auferstehung Jesu von den Toten ist nicht abwegig. „Gleich einem Ei springt das Grab auf“, schrieb Ephräm der Syrer, ein Kirchenlehrer des vierten Jahrhunderts. Theologisch ein wenig abstrakter: Die harte Schale steht für das Alte Testament, das weiche Innere des Eis zeigt uns an, dass nun Neues entstanden ist. Die einst vorherrschende rote Farbe wurde zum Sinnbild für das von Christus vergossene Blut erklärt – das erste Mal von den frühen Christen im Zweistromland.

Im Ei ein Symbol der Fruchtbarkeit zu sehen liegt nahe. Als solches findet sich das Ei in fast allen Kulturen. In China wurden bemalte Eier schon vor 5 000 Jahren zu Frühlingsanfang verschenkt, ebenfalls als Symbol der Fruchtbarkeit. Auch im Judentum gehört das Ei dazu: Beim Sedar-Mahl, einem Bestandteil des Pessach-Festes, darf es nicht fehlen. Eier stehen nach jüdischer Ansicht – so wie die Breze– für den zyklischen und fortdauernden Charakter des Lebens. Im Jerusalemer Tempel hat man nicht nur Pessach-Lämmer, sondern auch Eier geopfert. Da sind wir also zeitlich und inhaltlich schon ganz nahe beim christlichen Osterfest: Kein Wunder, dass das Christentum sich das Ei als gut eingeführtes und anschauliches Symbolobjekt zunutze gemacht hat.

In der Orthodoxie bekam das Verschenken von Eiern – und damit das kunstvolle Verzieren – einen besonders hohen Stellenwert, man denke an die Fabergé-Eier am russischen Zarenhof. Kein Wunder also, dass in der slawischen Kultur entsprechend kunstvolle Bemalungen üblich sind, auch bei jenen Volksgruppen, die dem Protestantismus oder dem Katholizismus angehörten. Die Sorben in Sachsen sind besonders stolz auf ihre Wachs-Batik-Färbetraditionen. „Jejkamolowanje“ heißt das Ostereierverzieren auf Sorbisch, besonders beliebt als Motive sind Sonnenrad oder Wolfszähne. Im burgenländischen Ort Stinatz kratzt man feingliedrige Blumenornamente oder religiöse Motive in ursprünglich nur roten, violetten oder schwarzen Untergrund. Heutzutage sind die Stinatzer Eier, Zeugnisse alter Handwerkskunst der Kroaten in dieser Region, viel bunter.

Etwas mehr als eine Binsenweisheit brauchen jene Leute in der Gegend von Eisenach in Thüringen und im Odenwaldkreis im südlichen Hessen, die sich noch auf die Herstellung von Eiern aus Binsenmark verstehen. Es gibt in Deutschland ja 29 Arten der grasartigen Binsen, und man braucht Gespür für die richtigen Pflanzen, deren weiches, schwammiges Mark sich gut verarbeiten lässt. Das fadendicke Binsenmark wird in Kringeln, Wellen und Spiralen auf ausgeblasene Eier geklebt.

Auffallend ist: Trotz der in unserem Raum zumindest acht Jahrhunderte währenden Tradition des Eierfärbens haben sich regional kaum Spezialwörter herausgebildet für besondere Techniken der Gestaltung. In Hessen spricht man von „Fuchseiern“, das sind jene mit der speziellen rostbraunen Färbung, die zustande kommt, wenn man Zwiebelschalen als Färbemittel verwendet. Die Farbe entspricht auch derjenigen eines Fuchsfells – und in Hessen gilt ja tatsächlich der Fuchs und nicht der Hase als Eierbringer.

Ein besonderes Wort kennt man im Salzburger Lungau: Für die „Grawirlacheier“ werden zarte Frühlingsblätter aufs Ei gelegt, mit einem Leinentuch umwickelt und in die Eierfarbe gelegt. Der Vorgang wird mehrmals wiederholt. „Grawirlach“ ist das Lungauer Dialektwort für Kerbel, dessen in der Art eines Mini-Farns gefiederten Triebe zu Ostern gerade gut passen für diese Färbetechnik. Aber auch „Kasbleamen“ (Krokusse) und andere Blätter oder Blüten mit möglichst gezackten Formen werden aufs Ei gelegt.

Ein historischer Ostereier-Aspekt: Die Grundherrschaft forderte von den Bauern einst „Eierzins“ als Naturalleistung ein. Da in der Fastenzeit Eier genug anfielen, war Ostern dafür ein logischer Termin. Es herrschte jedenfalls zu Ostern nie Eiermangel, egal, ob man nun die Fastengebote ganz streng – inklusive tierischer Produkte, also auch der Eier – auslegte oder nicht.

Im 16. Jahrhundert schon sollen flämische Protestanten den Eierbaum behängt haben. In unseren Landen taucht der Ostereier-Strauch aber erst im 20. Jahrhundert auf.

Reinhard Kriechbaum: Heringsschmaus und Kreuzlstecken. Geschichten und Bräuche rund um Ostern. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2019. 264 Seiten, 19,95 Euro – www.pustet.at
Lokale und regionale Bräuche zum Osterfest beschreibt Reinhard Kriechbaum natürlich auch in seinem 2016 im Rupertus Verlag erschienenen Buch „Salzburger Brauch“ – http://www.rupertusverlag.at/index132.html
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