Aus der Brauch-Hochzeit des Jahres

BUCHBESPRECHUNG / TANNENBAUM UND BOHNENKÖNIG

07/12/18 Alle Jahre wieder gibt es neue Weihnachtsbücher. Über manche freut man sich, andere erscheinen überflüssig. Das jüngste Buch von Reinhard Kriechbaum zählt eindeutig zur ersten Kategorie.

Von Helga Maria Wolf

Der DrehPunktKultur-Chefredakteur, der Volkskunde und Musik studiert hat und ebenso in Theologie bewandert ist, hat im Pustet-Verlag die „Bräuche im Jahreskreis“-Serie publiziert und im Vorjahr mit einem neuen Format begonnen. Nach „Borstenvieh und Donauwalzer“ (Geschichten und Bräuche rund um den Jahreswechsel), ist nun die Advent- und Weihnachtszeit an der Reihe. Das etwa postkartengroße Format wurde beibehalten, attraktive Farbfotos eingefügt und auf 256 Seiten interessante Geschichten dargeboten. Wieder blickt der Autor über die Grenzen Österreichs hinaus und schildert auch Bräuche aus Deutschland und der Schweiz. Informativ sind am Ende jedes Kapitels Orts- und Terminangaben sowie Hinweise auf Webseiten. Nur schade, dass ein Literaturverzeichnis fehlt.

Es mag überraschen, dass ausgerechnet ein Gedicht von Karl May den bunten Reigen der mehr als achtzig Bräuche eröffnet. Es handelt nicht von Weihnachten, sondern vom Licht. Nicht ohne Humor und zeitgemäß nennt der Autor das erste seiner zwölf Kapitel „Ein Lichtlein brennt - und Millionen LEDS“. Neben vor- und weihnachtlichen Bräuchen geht es zum Einstieg um Traditionen der „geschlossenen Zeit“ (der Advent war bis 1917 eine Fastenzeit mit dem Verbot geselliger Veranstaltungen), Bekanntes wie Adventkranz, Adventkalender und Rorate, aber auch eine „Bauernparty im Schwarzwald“ – nachbarschaftliche Zusammenkünfte, bei denen der Dorftratsch blühte.

Krampusumzüge und Nikolospiele in Deutschland, Österreich und der Schweiz bilden den größten Abschnitt. Die Formen ähneln einander, die Namen wechseln. Wohltuend ist es, dass hier (wie sonst oft in Brauchtumsbüchern) keine germanischen Fruchbarkeitsdämonen beschworen werden, sondern der Autor zu den Krampussen feststellt: „Es sind Figuren christlicher Katechese, das Gestalt gewordene Böse, neben dem der Nikolaus als Vorbild und Gabenbringer umso heller strahlt.“ Schon im Vorwort betont Reinhard Kriechbaum: „Volkskundler sind keine Oberlehrer, die Zensuren erteilen und Bräuche in 'gut' oder 'schlecht' einteilen, in 'echt' oder 'unecht'.“

So folgen in den nächsten Kapiteln Traditionen, von denen etliche als immaterielles Kulturerbe der UNESCO gelistet sind, wie das Anklöpfeln, ein Heischebrauch aus dem Inntal, und Neues wie der „Chill-out-Brauch am Punschstand“. Auch das sorbische „Bescherkind“ lernt man (samt Foto) kennen, ehe die Weihnachtszeit am 17. Dezember zum „Endspurt“ ansetzt. Im steirischen Admont und im deutschen Neubrandenburg wird dann das Christkind mit Glockengeläute erwartet. In Bayern und Salzburg pflegen die Prangerschützen das „Christkindl-Anschießen“.

Man erfährt Wissenswertes über das Christkind, den Weihnachtsmann, den Christbaum und seinen Schmuck, wobei der Autor (wie auch sonst) gekonnt die Kurve zur Gegenwart kratzt. „Muss es einem leid tun, um die vielen Bäume, die nach Dreikönig entsorgt werden?“ Immerhin bringen Christbäume der Forstwirtschaft 15 Prozent ihres Umsatzes. Und die Ökobilanz fällt bei Plastikbäumen deutlich schlechter aus als bei den Tannen und Fichten aus Christbaumkulturen.

Zum Heiligen Abend gehören Chordarbietungen, das ORF-Friedenslicht und – besonders heuer zum 200-Jahr-Jubiläum – "Stille Nacht" ebenso wie Bescherung und Mettenbesuch. Hier hat nun auch das Christkind seinen Platz, im evangelischen Brauch als „Bornkinnel“ oder im katholischen beim „Kindelwiegen“, das vor einigen Jahren in Klosterneuburg revitalisiert wurde.

Danach ist Zeit für Geselligkeit, sei es bei der „Kripperlroas“ zu den Hauskrippen im Salzkammergut, den weihnachtlichen Puppenspielen in Steyr und Traismauer, oder weniger besinnlich, beim Krambamberlbrennen und Aperschnalzen. Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil dauerte die Weihnachtszeit bis zum Fest „Darstellung des Herrn“, damals „Maria Lichtmess“ genannt. Jetzt endet sie mit „Taufe des Herrn“ am Sonntag nach Dreikönig. Darstellern der Heiligen Drei Könige begegnet man landauf, landab nicht nur in Gestalt der Sternsinger, sondern auch bei Dreikönigsritten und in Heiligenblut, wo in der „längsten Nacht“ Männer in acht Sternsingergruppen alle Häuser besuchen, um ihre musikalischen Wünsche darzubringen.

Zuletzt stellt der Autor die Spergauer Lichtmess vor. Der figurenreiche Heischebrauch ist am 2. Februar in Deutschland einzigartig. Die Figuren, ihre Kostüme und Verhaltensweisen weisen schon in den Fasching. Wird vielleicht das nächste Buch dieser hübschen Reihe dieser Brauchzeit gewidmet sein ? Schön wäre es.

Reinhard Kriechbaum: Tannenbaum und Bohnenkönig. Geschichten und Bräuche rund um Advent und Weihnachten. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2018. 256 Seiten, 19,90 Euro – www.pustet.at
Zur Buchbesprechung „Borstenvieh und Donauwalzer“
Springen und Schreien, Heischen und Hüpfen