Kurschatten aus charmanten Tönen

HINTERGRUND / BAD GASTEIN KURORCHESTER

19/06/23 Da flattert eine Meldung von Gasteinertal Tourismus auf den Redaktionstisch, die uns kurz am eigenen Gedächtnis zweifeln lässt: „Das Kurorchester Bad Gastein setzt eine über hundertfünfzig Jahre dauernde Musiktradition fort und gilt mittlerweile als eine Rarität in Österreich“, liest man da.

Von Reinhard Kriechbaum

Hat man nicht 2018 eben dieses Kurorchester in die Wüste geschickt, haben damals nicht Elisabeth Fuchs und ihre Philharmonie Salzburg dessen Agenden übernommen? „Das glauben viele“, sagt Klaus Vinatzer auch Rückfrage des DrehPunktKultur. „Aber in Bad Gastein war das eben nicht so.“ Hier habe das Kurorchester „immer Bestand gehabt“ (mit einer ganz kurzfristigen Pause 1996/97).

Die Geschichte der Kurkonzerte in Bad Gastein reicht weit ins 19. Jahrhundert zurück. Die erste ständige Kurmusik wurde im Jahr 1850 nach Bad Gastein verpflichtet. Das Orchester bestand damals aus neun Musikern. In Gehrock und Zylinder rüchkten sie aus, spielten drei Mal täglich um die Mittagszeit, am Nachmittag und am Abend. Die Konzerte fanden zumeist am Straubingerplatz, am Kirchplatz oder beim Grabenwirt statt. Bei schlechtem Wetter wurde in der Wandelbahn musiziert. Über die Jahre wurde das Orchester auf bis zu vierzehn Musiker aufgestockt. Angestellt waren die Musiker direkt bei der Kurverwaltung.

Die musikalischen Aufführungen galten als gesellschaftlicher Höhepunkt während des Kuraufenthaltes. „Musik war Teil der Kur“, erklärt Klaus Vinatzer. Weil eine Kur im Regelfall drei Wochen dauert, gilt auch die Regel, dass es so lange keine Wiederholungen gibt. „Wir haben ein breites Repertoire an Salonstücken, Tanzmusik, Bearbeitungen von Opernouvertüren, Filmmusiken und dergleichen. Als Trompeter und Flügelhornist ist Vinatzer 1990 zum Bad Gasteiner Kurorchester gestoßen, seit 2020 ist er dessen Leiter. Der Musikum-Direktor in Bischofshofen und St. Johann ist auch hauptverantwortlich für die Kapellmeisterausbildung am Musikum in Kooperation mit dem Salzburger Blasmusikverband.

Was reizt ihn speziell am Kurmusik-Genre? Eben „diese spezielle Art der Musik“ von der die Zuhörer „etwas Positives mitnehmen“. Es ist „gehobene Unterhaltungsmusik, die keineswegs leicht ist“. Elf bis fünfzehn Leute spielen den Sommer über in der Bad Gasteiner Kurmusik. So viele eben, wie es die Arrangements für solche Ensembles verlangen. Von 24. Juni bis 4. September dauert die Saison fürs Bad Gasteiner Kurorchester. An Samstagen und Sonntagen gibt man Abendkonzerte, am Sonntag sind Termine um 10.30 und 16 Uhr. Gespielt wird im Wiener Saal des Grand Hotel de l'Europe sowie auf der Bühne im Merangarten.

„Das Orchester spiegelt für uns auch die touristische Bedeutung der Kur für den Ort. Es ist uns wichtig, diese historisch gewachsene Tradition anbieten zu können“, sagt Lisa Loferer vom Kur- und Tourismusverband Bad Gastein. „Es gibt Leute, die extra deshalb nach Bad Gastein fahren“, so Klaus Vinatzer. „Und wir schätzen es, dass sich die Gemeinde für uns engagiert.“

Kurorte wie Bad Reichenhall, Bad Kissingen, Wiesbaden (eines der ältesten Kurbäder Europas), Baden-Baden, Bad Ischl, Borkum, Helgoland, Karlsbad, Norderney, Meran oder Marienbad hatten eigene Kurorchester, die zum Teil bis heute bestehen. Viele Kurorchester setzten sich aus Theatermusikern zusammen, die hier in den spielfreien Sommermonaten eine Beschäftigung fanden.

Ein vergleichbares Kurorchester wie jenes in Bad Gastein gibt es noch in Bad Hall. Dort wurde 1855 eine „Cur-Musikkapelle“ gegründet. Der junge Gustav Mahler hat hier erste Kapellmeister-Erfahrung gesammelt, und einer der ganz prominenten Geiger war Willi Boskovsky, der spätere Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und Dirigent vieler Neujahrskonzerte. In Bad Ischl gab es gar schon 1820 eine „Bademusik“. 95 Jahre alt ist das Kurorchester in Bad Schallerbach, und auch in Bad Füssing gibt es ein solches Ensemble. In Baden bei Wien übernimmt das städtische Orchester des Theaters sommersüber auch die Kurorchester-Agenden.

1868 wurde jenes Orchester gegründet, das jetzt Bad Reichenhaller Philharmoniker heißt. Es ist nicht nur eines der ältesten deutschen Symphonieorchester, sindern auch das einzige ganzjährig tätige Kurorchester.

Kurkonzerte in Bad Gastein gibt es von 24. Juni bis 4. September. In Bad Hofgastein ist die Philharmonie Salzburg engagiert – www.gastein.com
Bilder: Musikum (1); KTVB Bad Gastein, Marktl Photography (1); Archiv Gasteiner Museum (2)