Kunst-Räuber oder Kunst-Retter?

HINTERGRUND / UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK / RESTITUTION (1)

26/01/16 Nach wie vor viel und kontrovers wird im Moment über Konrad Lorenz diskutiert, dem ob brauner Vergangenheit das Ehrendoktorat der Universität Salzburg aberkannt worden ist. Wenn die Universitätsbibliothek morgen Mittwoch (27.1.) ein Konvolut von Graphiken an St. Peter zurückgibt, ist das ein weiterer Anlass über die Universität und die NS-Zeit nachzudenken.

Von Reinhard Kriechbaum

Wer war damals Leiter der Universitätsbibliothek? Ernst Ritter von Frisch stand der damaligen „Studienbibliothek“ vor (die Universität gab's damals ja nicht). 1919 war Frisch dort Leiter geworden, ein im Kulturleben aktiver Mensch, der immer wieder Artikel zur lokalen und regionalen Geschichte veröffentlichte. „Er war dem christlich-liberalen Lager zuzuordnen“, sagt Irmgard Lahner, die mit einem Team in der Universitätsbibliothek seit 2009 jenen Bücherbestand durchforstet hat, der in der NS-Zeit und später in die Regale gekommen ist. „Schnell hat Frisch sich mit den Nationalsozialisten arrangiert“, weiß die Wissenschafterin. Aber sie weist auch auf die „Graustufen“ hin, die bei der Beurteilung einer solchen Persönlichkeit nicht außer Betracht bleiben dürften.

Freilich: Die Klosterauflösungen damals, vor allem jene von St. Peter, habe Ernst Frisch „nicht ungern gesehen“, bot sich doch die Möglichkeit, die damals noch vergleichsweise kleine Studienbibliothek um manchen Bücherschatz, etwa Handschriften und Inkunabeln, zu vergrößern.

Irmgard Lahner zeigt aber auch ein historisches Foto her, auf dem zu sehen ist, wie die Bücher damals in St. Peter gelagert und wie beschädigt manche von ihnen waren. St. Peter war hoffnungslos verschuldet. Nicht ohne Zwang hatten die Mönche sogar das prächtige St. Peter-Antiphonar verscherbelt, ein Spitzenstück mittelalterlicher Buchmalerei. „Ernst Frisch fühlte sich also wohl auch als Retter Salzburger Kulturguts“, als er Anfang 1941 die Verwaltung der Klosterbibliothek übernahm, vermutet Irmgard Lahner. „Gewiss hat sein Bibliothekarsherz geblutet.“ Die Buch-Sachverständige kann sich da schon hineinfühlen in den Kollegen, etwa angesichts feuchter Bibliothekswände.

Die wertvollsten Bestände aus St. Peter befanden sich kurz in der Studienbibliothek, bevor sie in den folgenden Kriegsjahren gemeinsam mit wichtigen Beständen der Studienbibliothek im Salzbergwerk auf dem Dürrnberg vor den Luftangriffen in Sicherheit gebracht wurden. Vieles wurde nach Kriegsende – Ernst Frisch ging 1946 in Pension – an St. Peter zurückgegeben. Darüber gibt es keine schriftlichen Aufuzeichnungen.

Nicht so jenes Konvolut von 55 Graphiken, das also jetzt in detektivischer Kleinarbeit St. Peter zugeordnet wurde und morgen Mittwoch (27.1.) an Erzabt Korbinian übergeben wird.

Es ist eine größerformatige Mappe mit unterschiedlichsten Arbeiten. Obenauf liegt eine Vedute des Vatikans mit Tiber und Engelsburg. Ein Blatt mit Salzburg-Bezug ist eine Radierung von 1921, das Gittertor von St. Peter, an dem gerade eine Ordensschwester im Habit der Vinzentinerinnen betet. Eine barocke Architekur-Graphik erinnert auffallend an Fischer von Erlachs Entwurf der Salzburger Dreifaltigkeitskirche und des Priesterseminars. Es ist aber ein Kloster in Deutschland.

Mehrere kleinere Mappen beinhalten größtenteils Porträts, unter anderem einiger Äbte von St. Peter. Vom auffälligsten Stück, einer einzelnen Spielkarte aus dem 16./17. Jahrhundert, die bei der Provenienzforschung den letztlich entscheidenden Hinweis für die Zuordnung des Graphik-Konvoluts an St. Peter gab, wird noch zu berichten sein. (Wird fortgesetzt)

Bilder: dpk-krie (2); Universitätsbibliothek (1)