EU-Parlament - letzte Bastion der Demokratie?

subnetWEEK / DATENSCHUTZ

09/10/10 „In den USA sind die Geheimdienste bereits zu weit vorgedrungen, als dass man von einer freien Demokratie sprechen könnte.“ Das sagte bei der subnetWEEK der Datenschutzexperte Josef Irnberger. Wie schaut es auf EU-Ebene tatsächlich aus mit dem Datenschutz?

Von Heidemarie Klabacher

Grundsätzlich hätten alle Mitgliedsstaaten unterschiedliche Gesetze. Kommissarin Viviane Reding habe deshalb eine Datenschutz-Verordnung vorgeschlagen. Josef Irnberger nennt Vor- und Nachteil einer solchen gemeinsamen Verordnung: „Der Vorteil: Sie gilt ab Zeitpunkt des Erlassens, muss nicht erst langwierig in nationale Gesetze umgesetzt werden, sondern überregelt diese. Der Nachteil: Länder, die schon ein gutes Datenschutzgesetz haben, kommen möglicher Weise in Details unter die Räder.“

Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission sei auch aus Sicht der Datenschutz-Aktivisten „relativ gut“ gewesen: Immerhin seien Firnen die Datenmissbrauch betrieben, Strafen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes angedroht worden. Ursprünglich sollten es sogar fünf Prozent gewesen sein. „Leider kam der Kommissionsvorschlag dann aber unter die Räder der Lobbyisten, die die Interessen der Unternehmen wie US Chamber of Commerce, Amazon oder Microsoft  vertreten“, sagt Irngerber. „So gelingt es, diverse Regelungen im Sinne der Bürger einfach auszuhebeln.“

So zeige etwa die Plattform LobbyPlag.eu „dass viele Abänderungsanträge von Abgeordneten im EU-Parlament wortgleich aus Lobbypapieren von Unternehmen wie Amazon, eBay oder der Lobbygruppe „Digital Europe“ übernommen wurden. Zur Lobbygruppe „Digital Europe“ gehören etwa Google, Microsoft, Cisco, Intel, IBM, Oracle, Texas Instruments oder Dell.

Andererseits weist die Plattform auch auf wortgleiche Übernahmen aus den Unterlagen von Datenschutzorganisationen wie Bits of Freedom und EDRi hin.

Die Verordnung sei momentan im Verhandlungsstadium, weiß Josef Irnberger: Die „Compromise Amendments“ würden derzeit „hinter verschlossenen Türen“ besprochen. „Das heißt aber auch, dass alles was durch die Aufdeckungen von Edward Snowden ans Licht kam, nicht mehr in die Verordnung aufgenommen werden kann.“

Ein weiteres Thema des subnetTalks von Josef Irnberger: pseudonyme Daten ein, die eigentlich keine direkten Rückschlüsse auf die Person zulassen, wie etwa die Verortungsdaten eines Mobiltelefons. „Dennoch lässt sich relativ schnell ableiten, um welche Person es sich handelt. Pseudonyme Daten sollten daher nicht wie anonyme sondern wie personenbezogene Daten behandelt werden“, fordert der Datenschutzexperte und warnt vor der neuen Herausforderung „Big Data“: „Die Möglichkeit Datensammlungen zu verknüpfen, hebelt möglicherweise den Datenschutz komplett aus.“

Da kann der Bürger noch so mündig sein – ist das nicht ein Kampf auf verlorenem Posten? Kann man die europäische Demokratie und die Gesetze und Verordnungen zum Datenschutz mitgestalten? Irnberger rät, Kampagnenseiten nützen, die den Betroffenen die Sachverhalte erklären und den Kontakt zu den Parlamentariern erleichtern. Dazu gehören etwa die Initiativen wirwollendatenschutz.at oder nakedcitizens.eu: „Hier findet man Kontaktdaten der wichtigsten zuständigen EU-Parlamentarier“. Auch auf den Social Media gibt es Kampagnen. Die Hashtags bei Twitter etwa seien #EUdataP und #EPinquiry. "Kampagnenseiten liken, Kampagenfotos teilen, kommentieren" seien Möglichkeiten auf Facebook.

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