Gefragt: eine „Kirche der Selbstüberschreitung“

SALZBURGER HOCHSCHULWOCHEN

30/07/13 "Was können, was dürfen wir wissen?" Darüber referierte am Montag (29.7.), dem Eröffnungstag der Salzburger Hochschulwochen, der renommierte deutsche Philosoph Ottfried Höffe.

Seit Kant bestehe in der Philosophie die Gefahr, "existenziell so bedeutsame Gegenstände wie die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele zu verdrängen" bzw. sie dem Bereich des Wissens zu entziehen. Dies jedoch "gefährdet unser Selbstverständnis als säkulare Wissensgesellschaft". Als Gefahr ortete Höffe weiters eine Verengung des Wissensbegriffs auf ein nur mehr rein funktional-technisches Wissen.

Für eine Wiedergewinnung eines positiven kirchlichen Gefahrenbegriffs plädierte die an der Universität Kassel lehrende Theologin Prof. Johanna Rahner. Indem sich die Kirche nicht weltabgewandt sondern weltoffen zeige, könne sie ein gefährliches, weil gesellschaftskritisches Wissen einbringen. Nach der Aufklärung habe die Kirche sich jedoch in sich selbst verschlossen und eine "Position der Defensive" eingenommen. Im Sinne des "aggiornamento" des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) gelte es nun, dieses "gefährliche Wissen der Kirche" wiederzugewinnen. Ort dieses gefährlichen Wissens sei heute laut Johanna Rahner das Exil, die "Ort-Losigkeit", in der auch viele Menschen lebten.

Die Entscheidung, sich nicht einem „gnostischen Elitebewusstsein in die Arme zu werfen“, sondern auf weltveränderndes Potenzial des eigenen Wissens zu setzen, sich in den Dienst an der Welt zu stellen, apologetisch wie missionarisch zu verkünden, sei eine Grundentscheidung für die Öffnung zur Welt, die bereits im frühen Christentum getroffen wurde.

Mit einem Plädoyer für eine "Kirche der Selbstüberschreitung", die den Rückenwind des neuen Pontifikats von Papst Franziskus nutzt, hat Erzbischof Alois Kothgasser die Salzburger Hochschulwochen eröffnet. Die Kirche sei oftmals "in sich selbst verkrümmt", so erreiche sie nicht die "gebeugten Menschen ihrer Zeit". Dagegen müsse die Kirche heute "den aufrechten Gang neu lernen". Dies könne man u.a. von Papst Franziskus lernen: "Wenn das so weitergeht, werden wir in der Kirche Gottes einiges zu tun bekommen", so der Salzburger Erzbischof im Blick auf die zahlreichen Novitäten im Pontifikat von Papst Franziskus.

Die Kirche, wie sie Papst Franziskus vorschwebt, sei insofern "gefährlich", so Kothgasser im Blick auf das gewählte Hochschulwochen-Thema "Gefährliches Wissen", als eine radikal von den Armen her gedachte Kirche fordere, den Ort der Kirche und ihre Praxis immer neu kritisch zu überprüfen und sich auf die Herausforderungen der Zeit" einzulassen.

Einen Weckruf an die eigene Historikerzunft hat heute Dienstag (30.8.) der Salzburger Kirchenhistoriker Dietmar Winkler formuliert. Kirchengeschichte werde allzu oft auf eine rein konfessionelle Geschichtsschreibung und damit partikular verkürzt. Sie dürfe aber eben nicht auf diese Weise „enggeführt“ werden, sondern müsse als Geschichte des Christentums gerade auch "vergessene Möglichkeiten und verborgene Traditionen" aufdecken. Einen Grund für diese Engführung sieht Winkler in der konfessionellen Angst, "die vermeintlich eigene Identität zu verlieren", aber auch in "historischem Unwissen".

Was Kirchengeschichte zu sein hat, werde dagegen nicht selten von dogmatischen Vorgaben definiert, die vor jeder nüchternen Historiografie Entwicklungen als häretisch oder lehramtskonform einstufen. "Schmerzhaft" sei es für Kirchenhistoriker etwa, so Winkler, wenn in der Theologie von "ewigen Wahrheiten" oder "ungebrochener Tradition" die Rede sei.

Winkler ist ein ausgewiesener Ökumene- und Ostkirchenexperte und findet, dass beispielsweise die in der westlichen akademischen Theologie die Geschichte der Ostkirchen weitgehend ausgeblendet werde. Gerade die ökumenische Bewegung könne heute dazu beitragen, den Blick auf jene christlichen Traditionen am Rand zu weiten. (HSW/KAP)

Die 82. Salzburger Hochschulwochen stehen unter dem Motto "Gefährliches Wissen" und dauern bis 4. August - www.salzburger-hochschulwochen.at