Ein steirisches Künstlerehepaar hatte sich fürs Kneippen stark gemacht, aber nun wurde UNESCO-amtlich beschieden, damit liege bloß eine "allseits bekannte und praktizierte Form der Gesundheitsvorsorge" vor. Der "gemeinschaftsbildende Charakter" sei nicht ersichtlich.
Um den gemeinschaftlichen Charakter des "Stille Nacht"-Singens brauchte man hingegen wohl nicht zu diskutieren. Wer einmal am Nachmittag des Heiligen Abends in Oberndorf versucht hat, einen Parkplatz in fußläufiger Entfernung zur Stille-Nacht-Kapelle zu bekommen, weiß ums Völkerverbindende dieser Freudentöne.Die Leiterin der Nationalagentur fürs UNESCO-Kulturerbe in Österreich, Maria Walcher: Der vom Präsidenten der Stille-Nacht-Gesellschaft, Michael Neureiter, eingebrachte Antrag entspreche dem Verständnis von immateriellem Kulturerbe, wie es im UNESCO-Übereinkommen dargelegt ist: Der Schutz des weltweit beliebten Weihnachtsliedes sei ein "wesentlicher Beitrag zum Erhalt kultureller Vielfalt und nachhaltiger Entwicklung".
Man hatte den Vorschlag im Dezember 2010 eingebracht. "Stille Nacht, heilige Nacht" präge die weihnachtliche Festkultur, "gibt das Gefühl von Identität und Zusammengehörigkeit, ist Ausdruck der Kreativität der Autoren und der Vermittler und fördert Austausch und Verständnis zwischen den Menschen", so die Argumentation.
Nun hofft der Stille-Nacht-Promotor Michael Neureiter darauf, dass das Weihnachtslied auch auf die "Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit" kommt. Bewerbungen seien auch um "Memory of the World" und um das "Cultural Label" der Europäischen Union geplant.
Die Konkurrenz war aber schon innerhalb Österreichs eine ganz harte: Nicht nur gegen das Kneippen musste man sich durchsetzen. Auch die "Rapid-Viertelstunde" war ein Thema. DrehPunktKultur hat sich schlau gemacht, was das wohl ist: Seit 1919 (!) klatscht der grünweiße Anhang die letzten 15 Minuten eines Rapid-Fußballspiels ein, um bei den Kickern die letzten Reserven herauszukitzeln.
Über die Rapid-Viertelstunde war mit den strengen nationalen UNESCO-Schiedsrichtern aber nicht zu diskutieren: Entscheid negativ! Dafür haben sie sich für den "Lichtbratlmontag" in Bad Ischl ausgesprochen. Aus Salzburg haben die Gasteiner Perchten und der Dürrnberger Schwerttanz Gnade gefunden. Es gibt ihn seit über vierhundert Jahren und er gilt als der älteste Salzburger Zunfttanz. Wir Salzburger dürfen uns also dreifach freuen, und fünf weitere Salzburger Bräuche standen ja schon auf der nationalen UNESCO-Liste, zum Beispiel die Samson-Umzüge oder das Hundsstoan-Ranggeln.
Fünfzehn neue Posten gibt es seit heute, Dienstag (22.3.) auf der Liste der immateriellen Kulturgüter. Witzig ist die Kür der Wirlinger Böllerschützen. Zwar dürften sie ihrem gefährlichen Brauch laut Pyrotechnik-Gesetz gar nicht mehr nachgehen, aber sie haben sich eine Technik ausgedacht, die das Krachen sehr wohl möglich macht. Der "gemeinschaftsbildende Charakter" steht da ebenso außer Frage wie die Nachhaltigkeit: Viele leiden unter dem Lärm, anhaltend. Und a propos leiden: Dass man in Spanien den Stierkampf auf die Liste der immateriellen Kulturgüter setzt, bekämpfen Tierschützer aufs Energischste. Das in der Arena vergossene Blut ist ihnen entschieden zu materiell.