„Von Salzburger Sitt’ und Brauch“

HINTERGRUND / KARL ADRIAN

17/02/11 Am volks- und heimatkundlichen Erscheinungsbild Salzburgs hat er nachhaltig „mitgebaut“: Vor 150 Jahren wurde Karl Adrian geboren. Er brachte Ideen der Volkskunde - die damals noch nicht als Wissenschaft im heutigen Sinne betrieben wurde - nach Salzburg. Als Berater von Heimatvereinen regte er viele Braucherneuerungen an.

altEine Straße in Lehen ist nach ihm benannt. Die Auswirkungen seines Engagements für Heimatforschung und Brauchtum sind wesentlich stärker, als man meinen möchte. Karl Adrians Beobachtungen „zum ursprünglichen Volksleben“ sind in seinem Buch „Von Salzburger Sitt’ und Brauch“ nachzulesen.

Als Ehrenkustos des Salzburger Museum Carolino Augusteum (1904–1942) erstellte er ab 1904 eine „volkskundliche Sammlung“ der damals so geschätzten Handwerkserzeugnisse und Trachten und richtete sie 1924 (zwei Jahre nach seiner Pensionierung) im Monatsschlössl in Hellbrunn als „Altsalzburger Bauernmuseum“ ein – seit damals ist das Monatsschlössl also Volkskundemuseum.

Wie und warum ist der Schulrat Karl Adrian (1861–1949) zu den prägenden Vorläufern der Volkskunde in Salzburg geworden? Es war eine Zeitströmung. „Mit dieser retrospektiven Ästhetikbewegung waren auch wichtige sozialökonomische und gesellschaftspolitische Anliegen verknüpft“, erklärt die Salzburger Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann. „Ein Fundus von Bräuchen und altObjekten sollte als ‚historisches Erbe‘ mithelfen, eine regionale ‚Heimatliebe‘ wie eine nationale ‚Vaterlandsliebe‘ zu verankern.“ Nach der Aufhebung vieler gesellschaftlicher Schranken durch das Staatsgrundgesetz von 1867, nach Wirtschaftskrisen und zunehmender Industrialisierung, sollten dadurch wieder eine stabile gesellschaftliche Ordnung und patriotische Verankerung wachsen. Die Förderung der Kleingewerbetreibenden sollte Arbeitsplätze erhalten und handwerklichen Produkten als „Volkskunst“ einen besseren Marktwert schaffen. Die regionalen Erzeugnisse ebenso wie die „wiederbelebten“ Bräuche sollten Salzburg einen Mehrwert im Tourismus einbringen, erläutert die Leiterin des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde.

Die von ihm angeregte „Alpinia-Tracht“ von 1912 habe das hervorgebracht, was wir heute als die Variationen der gegenwärtigen „Salzburger Männertracht“ kennen, so Ulrike Kammerhofer-Aggermann.

Adrian war unter anderem Gründungsmitglied und Impulsgeber des Vereines für Heimatschutz und Denkmalpflege in Salzburg (1908), dessen Fachabteilung IV „Sitte, Tracht und Brauch“ er leitete. Denkmalschutz, Schutz des Orts- und Landschaftsbildes und Pflege einer landschaftsgerechten Bauweise: Das waren schon damals Themen. „Mit Karl Adrian wurde in Salzburg der Denkmalschutz-Gedanke auch auf immaterielle Bereiche, eben auf das Verhalten, die Sitten und Bräuche, übertragen“, sagt Ulrike Kammerhofer-Aggermann. „Dadurch wurde vieles konserviert, was sonst heute nicht mehr erhalten wäre, anderes neu bewertet, verändert und stilisiert. Vor allem aber wurden zwei Kategorien von Kultur, ‚eigen‘ und ‚fremd‘ geschaffen.“ Diese, aus späterer Sicht nicht unproblematische Entwicklung sei damals allgemein verbreitet gewesen. Freilich legte Karl Adrian damit auch den Grundstein für jene lokalen Identifikatoren, die in der NS-Zeit zur „Volkstumspflege“ instrumentalisiert werden sollte. Manches wirkt ideologisch bis heute nach und macht der Volkskunde als Wissenschaft wie der Volkskultur zu schaffen.

„Seine Zugehörigkeit zum ‚Ahnenerbe der SS Heinrich Himmler‘ war eine rein papierene“, urteilt die gerade in diesem Punkt sehr kritische Volkskundlerin. Adrian habe die Bräche als vom Menschen gestaltete Struktur des Alltagslebens verstanden und sie nicht als „national-rassische Merkmale“ gewertet. Karl Adrian sah Bräuche durchaus der Mode unterworfen und verschloss sich nicht beispielsweise der Jugendstilbewegung, etwa in der Begeisterung für Silberknöpfe und dergleichen Accessoires.

„Viele der von Adrian angeregten ‚Trachten, Sitten und Bräuche‘ wurden Bestandteile dessen, was unter Max Reinhardt in den 1920er und 1930er Jahren zum vielgerühmten und für Künstler und Gäste gleichermaßen faszinierenden ‚Salzburger Flair‘ der Festspielsaison wurde und bis heute Teile der Kulturpolitik des Landes bestimmt.“ (dpk-krie)

Die Leiterin des Landesinstitutes für Volkskunde, Ulrike Kammerhofer-Aggermann, hat Karl Adrian in der Publikation "Leben über den Tod hinaus … Prominente im Salzburger Kommunalfriedhof", die von Friederike Zaisberger und Univ.-Prof. Reinhard Heinisch herausgegeben wurde, einen Beitrag gewidmet. Auch im ersten Heft 2011 der „Salzburger Volkskultur“ erscheint ein Text von ihr über Karl Adrian, dessen 150. Geburtstag sich heute, Donnerstag (17.2.) zum 150. Mal jährt.
Bilder: Salzburger Landesinstitut für Volkskunde