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Vom Liebesnaschen und dem bösen Ende

FESTSPIELE / MOZARTEUMORCHESTER / RAPHAEL PICHON

18/08/19 Männer suchen stets zu naschen, heißt es in einem Klavierlied von Mozart. In der Opera buffa La scuola de' gelosi von Antonio Salieri erfahren wir aber in einem Sextett, dass es die Damen auch faustdick hinter den Ohren haben: Son le donne sopraffine.

Von Reinhard Kriechbaum

In dem köstlichen Sextett von Salieri (von 1778) treten drei Narren gegen drei Närrinnen an. Die einen glauben die anderen erfolgreich auszutricksen. Wie das Gezänk ums vorsorgliche Wegsperren der Frauen und um deren listige Befreiungsschläge ausgeht, bleibt in dieser Musiknummer offen.

Der Dirigent Raphaël Pichon, der in seinen Konzertprogrammen die Musik so gerne Geschichten erzählen lässt, hat in der jüngsten Mozart-Matinee (17./18.8) genau jener buffonesken Gender-Narretei Salieris eine unerwartet ernsthafte Wendung gegeben: Da spitzt sich die Musik nämlich urplötzlich dramatisch zu, so wie es später in Cosi fan tutte ja auch passieren wird – aber dieses Werk war damals (1783) noch nicht geschrieben. Raphaël Pichon fand bei Mozart quasi ein Vorgängermodell, in dem Terzett Che accidenti che tragedia! aus dem Opernfragment Lo sposo deluso. Hier wurde der Text imaginär Dorabella, Ferrando und Don Alfonso in den Mund gelegt.

Im Vorjahr hat sich der junge Franzose Raphaël Pichon bei einer Mozart-Matinee als Meister der assoziativen Raritäten-Verknüpfung eingeführt, die didaktische Absicht der lustvoll servierten Musikgarnitur nicht unraffiniert hintan stellend. So hielt er es auch diesmal. Die Annahme jetzt: Die Da Ponte-Opern sind ja selbst einem Genie wie Mozart nicht über Nacht in den Schoß gefallen, in Jugendwerken und Einlage-Arien zu fremden Opern ist der Meister Stück um Stück eingedrungen ins Dickicht der Gefühls-Wahrhaftigkeit, für die jetzt jede der drei Opern steht.

Das also in drei Musikblöcken vorgeführt, mit den jeweiligen Werk-Untertiteln als Motto: La folle giornata (Figaro), La scuola degli amanti (Cosi) und Il dissoluto punito (Don Giovanni). Ein wenig „Fremdmusik“ – Nummern von Giovanni Paisiello, Antonio Salieri und Vicente Martín y Soler – vor allem aber Stücke aus frühen Opern Mozarts, in denen viel musikalischer Ausdruck, instrumental-satztechnisches Handwerkszeug und anschauliche Dramaturgie schon deutlich vorgebildet sind. 1773 beispielsweise, stolze anderthalb Jahrzehnte vor dem Don Giovanni, hat Mozart in Thamos, König in Ägypten eine Chorszene mit Bass geschrieben (Ne pulvis et cinis superbe te geras), die dem Erscheinen des Komturs in nichts nachsteht. Das war nicht das einzige Beispiel im Don Giovanni-Block, das Gänsehaut erzeugte und in Kombination mit der finalen Thamos-Ballettmusik den Jubel im Auditorium mächtig anfachte.

So lustvoll und unaufdringlich also kann man vermitteln, wie auch Mozart allmählich dazugelernt hat, wie er die Operngipfel gleichsam learning by doing, als Work in progress angesteuert hat. Dabei halfen Claire de Sévigné, Siobhan Stagg, Lea Desandre, Mauro Peter, Huw Montague Rendall und Robert Gleadow – eine sprachlich wie im Charisma durchaus durchwachsene Gruppe, in der jeder Einzelne freilich denkbar große Wendigkeit und Einsatzfreude einbrachte.

Die Stärke dieser Matinee mit Überlänge lag anderswo: Raphaël Pichon ist einer, der mit dem Mozarteumorchester extrem gut umgehen kann. Die Ouvertüre zum Singspiel Der Schauspieldirektor (in der Programmfolge quasi Platzhalter für jene zu Cosi fan tutte) muss man erst so hinkriegen, mit großen symphonischen Applomb, zugleich detailerhellt und geradezu akribisch in der motorischen Feinabstimmung. Wie sich aus dem kerngen Forte die Seitengedanken lösen, frei atmend und so vor allem den Holzbläsern alle Freiheiten zu agogischem Mitgestalten gewährend – das sucht seinesgleichen: Das könnte man nun Arie um Ensemble, Ouvertüre um Ballettmusik im Einzelnen beschreiben. Vermutlich wäre es eine gute Idee, Raphaël Pichon bald einmal eine Opernproduktion bei den Festspielen anzuvertrauen.

Die CD mit diesem Programm unter dem Titel „Liberta!“ wird am 30. August bei Harmonia Mundi erscheinen
Bilder: SF / Marco Borrelli
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