Buntheit im sakralen „White Cube“

HINTERGRUND / KOLLEGIENKIRCHE / KUNSTINSTALLATION

14/02/24 Die Kollegienkirche, der neben der Wiener Karlskirche repräsentativste Kirchenbau Fischers von Erlach, lässt zeitgenössische Künstler keineswegs in Ehrfurcht vor dem Barockbaumeister erstarren und einen weiten Bogen um das Bauwerk machen. Rund zweihundert zeitgenössische künstlerische Interventionen und Kunstaktionen hat es hier schon gegeben. Jetzt: ein Werk von Hans Schabus.

Von Reinhard Kriechbaum

Mal waren es beleuchtete Heiligenfiguren, dann 40.000 Meter Seidengarn, die von der Kuppel zum Boden gespannt wurden, oder 48.000 weiße Kabelbinder, die zu einem raumfüllenden Objekt vereint wurden. Aktuell sind es bunte Teppiche, die den Kirchenboden kreuz und quer bedecken. Es ist die elfte Installation in der Kollegienkirche während der Fastenzeit. „Seit 2013 ist die Kollegienkirche nicht nur Ort für das Gebet, sondern auch für zeitgenössische Kunst“, so Christian Wallisch-Breitsching, Verwaltungsdirektor der Kollegienkirche. Man darf hier auf Breitenwirkung zählen, bis zu 4.000 Besucherinnen und Besucher finden täglich den Weg hierher.

Hans Schabus war der erste Preisträger des 2004 begründeten Kardinal König Kunstfonds. Zum 20-Jahre-Jubiläum hat man den Künstler wieder eingeladen. Für eine Rauminstallation in der Kollegienkirche hat er den Fußboden der Kirche kreuz und quer mit knallbunten Teppichen belegt.

„Nachdem die Kollegienkirche jahrelang renoviert wurde, stellte sich die Frage, wie man diesen Riesenraum sinnvoll nutzen könnte. Die Kollegienkirche ist Heimstätte der Universitätspfarre, aber diese ist mit dem Sacellum an der Ecke zum Herbert-von-Karajan-Platz größenmäßig hinlänglich bedient.

„Warum also kein Ort für Kunst? Wollen doch Kunst wie Kirche zum Nachdenken anregen, zum Zusammenkommen, zum Dialog“, erklärt Wallisch-Breitsching. Auch für Antonia Gobiet, Geschäftsführerin des Kardinal König Kunstfonds, ist die Verbindung von Kirche und Kunst eine besonders wertvolle: „Zeitgenössische Kunst in ihren autonomen Äußerungen ist für die Kirche wichtige und unverzichtbare Dialogpartnerin in der Wahrnehmung und Deutung der Welt und den Fragen menschlicher Existenz.“ Seit elf Jahren übernimmt die Kollegienkirche diese Funktion mit einem abwechslungsreichen Programm.

Wer hier ausstellen darf? „Grundsätzlich jeder und jede, die sich an eine Bedingung halten: Alles, was herinnen stattfindet, soll in den Dialog mit der Kirche treten“, sagt Wallisch-Breitsching und verweist auf die Intention der Kollegienkirche, „sich den Menschen öffnen, sie einladen, ihnen Raum bieten“. Für 2024 sei der Terminkalender schon längst gefüllt, sagt Wallisch-Breitsching, sagt aber auch: „Wir lassen bewusst immer Platz für Spontanes.“

Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens des Kardinal König Kunstfonds wurde also Hans Schabus eingeladen, ein Werk für die Salzburger Kollegienkirche zu entwickeln. Mit seiner Arbeit Innere Landschaft legt der gebürtige Kärntner mit vielfarbigen Teppichbahnen der Kollegienkirche mit ihrer weißen Raumschale ein neues Fundament. Da geht es immerhin um eine Fläche von 1.500 Quadratmetern.

Wo kommen die Teppiche her? Sie wollen als ein Netzwerk Salzburger Institutionen verstanden sein. Einst lagen sie im Bildungszentrum St. Virgil, andere dienten einer Zusammenkunft Tausender Jugendlicher der Loretto Gemeinschaft, wieder andere kommen aus dem Messezentrum Salzburg, der Stadtgalerie, dem Salzburger Kunstverein und von den Salzburger Festspielen.

Während die Struktur der Architektur über das schmale Haupthaus nach vorne und über die 58 Meter hohe Kuppel nach oben strebt, erdet die Intervention den Ort und lenkt den Blick zum Boden. Mit ihrer Kreuz-und-quer-Verlegung, ihrem weichen Material und ihrem provisorischen Dasein kontrastieren die Teppiche die klare und repräsentative Architektur.“ Mit einer genormten Breite von jeweils zwei Metern verweisen die Teppiche auf den menschlichen Maßstab (in der Länge eines Bettes, der Höhe einer Tür), der im Kontrast zur Architektur von Österreichs bedeutendstem Barockbaumeister steht.

Hans Schabus wurde 1970 in Kärnten geboren und lebt in Wien. Er studierte Bildhauerei bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2012 unterrichtet er an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo er die Abteilung Skulptur und Raum leitet. In Salzburg hat er 2006 mitgeholfen, beim Kunstprojekt Kontracom (im Mozartjahr 2006) schlichtere Gemüter zu erhitzen: Demolirer Polka hieß seine Kunst-Intervention am Eingang in den Mirabellgarten, die gleich mal als „Bauzaun“ diffamiert wurde. Den Namen Demolirer Polka hatte Schabus einer Polka von Johann Strauss Sohn entlehnt, die anlässlich des Abrisses der Wiener Stadtmauer entstanden war. Die Holzbretter waren in ihren Längen den Tonhöhen der Melodiefolge der Polka angepasst.

Die „Innere Landschaft“ von Hans Schabus ist vom 13. Februar bis 7. April in der Kollegienkirche zu besichtigen. Es gibt dazu auch ein integrales Musikprogramm: am 13. Februar (Elisabeth Grübl: 8.000Hz), 18. März (Cornelius Cardew: The Great Learning. Paragraph 7) und am 6. April (Eric Satie: Vexations) – www.kollegienkirche.at; www.kardinalkoenig-kunstpreis.at
Bilder: Kardinal König Kunstfonds / Lukas Allnoch (1); Rainer Iglar (1); Franz Neumayr (1); Erzdiözese Salzburg / Hiva Naghshi (1)