Wo sie Farbe gesehen hat

GALERIE FOTOHOF / INGE MORATH

14/06/23 Bei der Bildagentur Magnum hat sie angefangen. Aber nicht als Fotografin, sondern als Texterin. Inge Morath war dann die erste Frau, die tatsächlich mit dem Fotoapparat für Magnum auf Reisen gegangen ist. – Eine Ausstellung und neue Bücher über Inge Morath in der Galerie Fotohof.

Von Reinhard Kriechbaum

Brigitte Blüml und Kurt Kaindl erinnern sich: „Die Frage nach der Nutzung der Farbfotografie stellte sich erstmals 1990, als der Fotohof Inge Morath nach Salzburg zu einem Ausstellungsprojekt unter dem Titel Salzburg – An Artist‘s View einlud.“ Da sei für sie klar gewesen, dass diese Arbeit – Inge Morath gestaltete für die Gruppenausstellung eine Porträtserie – schwarzweiß sein sollte. „Während ihres gesamten Aufenthalts in Salzburg hat sie keine zusätzliche Farbkamera verwendet, wie sie das sonst meist getan hat.“

Inge Morath (1923-2002), deren Geburtstag sich am 27.Mai zum 100. Mal jährte, ist mit ihren beeindruckenden schwarzweißen Porträfotografien und Reportagen berühmt geworden. Nun zeigt die Galerie Fotohof erstmals Farbarbeiten. Diese, zu Großteil auf Diafilm aufgenommen, waren vor allem zur Veröffentlichung in Illustrierten gedacht, nur ausnahmsweise verirrte sich ein Farbfoto in Inge Moraths schwarzweiße Bildbände. „Sie selbst hat gesagt, dass sie dort Farbe fotografiert, wo sie Farbe sieht“, so die Ausstellungsgestalter. Da kommt also auch der Titel der Publikation zur Schau her: Wo ich Farbe sehe...

Farbe hat sie oft gesehen: Da haben irische Bauern beim Pub-Besuch ihre Schweine vor dem Lokal „geparkt“, dort posieren Amish people vor ihren Planwagen, mit Unmengen von Kindern – womit sie auch ein Stück ihrer Ideologie zur Schau stellen. Es ging Inge Morath in solchen Aufnahmen ja hauptsächlich darum, Menschen in ihren Lebenswirklichkeiten zu porträtieren. Der journalistisch genaue Blick auf die Umfelder fasziniert genau so wie jener in die Gesichter. Da beobachten mexikanische Kinder fröhlich ein Volksfest. Fast traurig blickt der Bajazzo aus dem Bad Gasteiner Perchtenlauf in die Winterlandschaft. Menschen in tunesischen Erdwohnungen, eine Schulklasse unter freiem Himmel irgendwo in der Dritten Welt, rumänische Bauern aus dem Maramures mit ihren kleinen Strohhüten – zu jedem dieser Bilder ist man versucht, sich spontan Geschichten auszudenken. Inge Morath hat es verstanden, die Welt in präzisen Bildausschnitten zu erklären, in genauer Abwägung von Personen und ihrer Umwelt, ihren Wohn- und Arbeitsstätten, im Dorf oder in den Straßenschluchten einer Großstadt. Und doch sieht dasnie „gestellt“ aus, sondern wie aus demMoment heraus festgehalten.

Kann man eigentlich Dias so ohne weiteres in vertretbarer Qualität in größerem Format ausdrucken? „Erst seit der Möglichkeit der Digitalisierung von Dias und des Ausdruckes auf Baryt-Papier wird eine Qualität erreicht, die auch an den Galeriewänden ihre Berechtigung hat“, erklärt man dazu im Fotohof.

Das Fotohof-Archiv besitzt auch eine ansehnliche Sammlung von Dokumenten zu Inge Morath. Ergänzend zur Ausstellung wurde im Studio daraus eine biografische Skizze zusammengestellt. Ihre Farbreportagen werden in den Original-Illustrierten der 1950er Jahre in Vitrinen ausgestellt. Sie ermöglichen den Vergleich mit den Farbarbeiten in der Hauptausstellung.

Zur Fotohof-Ausstellung ist ein schöner Bildband Wo ich Farbe sehe... erschienen, und auch das Buch zur Ausstellung Inge Morath & Saul Steinberg / Maske und Gesicht heuer im Frühjahr im Museum der Moderne Rupertinum hat der Fotohof gestaltet.

Und ein drittes Buch ist nun in der Edition Fotohof herausgekommen: Nach der Arbeit. Im Haus von Inge Morath. Die Fotografin war seit 1962 mit dem Schriftsteller Arthur Miller verheiratet. Sie bewohnten über Jahrzehnte eine ehemalige Farm im Bundesstaat Connecticut, etwa zwei Autostunden von New York entfernt. Dort waren Brigitte Blüml und Kurt Kaindl oft zu Gast, denn in der Fotohof hat zu ihren Lebzeiten neun Bildbände der Fotokünstlerin herauzsgebracht. Die meisten vor Erfindung der Digitaltechnik und der Möglichkeit, Bilddateien über den Atlantik zu übertragen. Da arbeitete man also analog zusammen...

Bei solchen Aufenthalten hat Kurt Kaindl seinerseits das Wohn- und Arbeitsambiente von Inge Morath dokumentiert. Noch ein Salzburger war dort zu Gast: Karl-Markus Gauß, der Texte für so manches Morath-Buch verfasst hat und jetzt im Vorwort erzählt von der Fotografin, dem Dichter und ihre Zusammenkünfte (eine davon eben in Roxbury).

Die Ausstellung zum 100. Geburtstag von Inge Morath in der Galerie Fotohof ist noch bis 29. Juli zu sehen – fotohof.net
Die aktuellen Fotohof-Publikationen:
Inge Morath: Wo ich Farbe sehe / Where I See Color 
Kurt Kaindl: Nach der Arbeit. Im Haus von Inge Morath / After Work. In the Home of Inge Morath 
Inge Morath: Maske und Gesicht / Mask and Face 
Bilder: Wo ich Farbe sehe