Kein Entrinnen vor dem finalen Nahkampf

KAMMERSPIELE / WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF?

18/03/24 Die Tages- bzw. Nachtzeit – zwei Uhr morgens – und der Alkoholpegel könnte ja manches entschuldigen. Aber Martha und George brauchen keine bestimmte Uhrzeit, um einander das Leben zur Hölle zu machen.

Von Reinhard Kriechbaum

Im prüden Klima auch noch der frühen 1960er Jahre fand Edward Albees ehelicher Showdown mit einem Anflug von Neubeginn wenig Gegenliebe in der US-amerikanischen Heimat des Autors, der seinen Landsleuten damals sowieso noch mehr als suspekt war. Wer hat Angst vor Virginia Woolf? wurde zwar rasch nach der Uraufführung 1962 verfilmt, aber dieser Klassiker mit Elizabeth Taylor und Richard Burton durfte in den USA zunächst nur in zensierter Fassung gezeigt werden. Überhaupt war man damals in der Alten Welt deutlich aufgeschlossener gegenüber Edward Albee als in Amerika. Im Theatermann Boleslaw Barlogh, der auch die deutschsprachige Ur-Inszenierung von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? herausbrachte, hatte Albee einen Fürsprecher.

Claus Tröger hat das längst zum Klassiker mutierte Stück nun in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters inszeniert. In der weiblichen Hauptrolle die erst kürzlich zur Kammerschasuspielerin ernannte Britta Bayer, die sich als Martha so recht entfalten kann im Schimpfwort-Freistilduell mit Axel Meinhardt als George. Da fürchtet man ja schon in der ersten Szene, dass die beiden sich nicht nur verbal sondern tatsächlich zerfleischen, noch bevor überhaupt die späten Gäste läuten, die staunende Zeugen dieser ehelichen Hölle werden.

Das junge Paar Nick (Aaron Röll) und Honey (Lisa Fertner) hat natürlich nicht die leiseste Chance, sich der aufgereizten Atmosphäre zu entziehen. Da ist ja nichts mit „Spaß und Spielen“ (so hat Albee den ersten Akt betitelt). Die Aktüberschriften „Walpurgisnacht“ und „Austreibung“ sprechen für sich. Eigentlich wollte der Autor sein Stück The Exorcism nennen, was es auch gut träfe. Die Kritzelei Who’s Afraid of Virginia Woolf? hat Albee übrigens auf einem Spiegel in einer Bar entdeckt.

Perfid, wie Martha, Tochter des Universitätsrektors, George spüren lässt, dass er hier seiner Geisteswissenschaft ja doch nur aufgrund dieser ehelichen Konstellation frönen kann. George, ein Versager auf allen Linien? Im Lauf dieser nachmitternächtlichen Ehekriegs-Stunden (95 Minuten ohne Pause sind es in den Kammerspielen) wird man ihn auch als gefährlich leisen, wendigen Taktiker kennen lernen – auch George ist ja nach vielen Ehejahren hinlänglich geeicht in psychologischer Kriegstaktik.

In Claus Trögers genauer Regie bekommt man gute Einblicke ins verquere Seelenleben beider. Britta Bayer fährt eine Attacke nach der anderen, die doch nur Marthas ramponiertes Ego spiegelt. Axel Meinhardt agiert viel weniger offensiv, hat immer auch ein gar bösartiges Lächeln hinter den manipulativen Winkelzügen. Man darf annehmen, dass Nick und Honey, so peinlich berührt, schockiert, involviert sie auch sind, von den beiden „alten Kriegern“ auch irgendwie fasziniert sind. Bei den Alten findet sich ja wie unter dem Brennglas eine Ehesituation, die bei den Jungen zu ähnlichen psychischen Verbiegungen führen könnte.

Erich Uiberlacker hat einen ovalen Bühnenraum mit umlaufender Stufe bauen lassen: ein Wohnzimmer mit Arena-Anmutng. Die Hausbar an zentraler Stelle. Was wer sich auch zu trinken wünscht – das Hochprozentige wird immer aus der gleichen Flasche eingeschenkt.

Bis 13. April in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: SLT / Christian Krautzberger